Auch dies ein Entwurf, eine Rohfassung, unkorrigiert und unfertig ...

 

 

Gont, der erste Mecklenburger

 

10.000 Jahre vor heute

Es war kalt. Wieder einmal. Wie eigentlich immer war es kalt. Gont wickelte sich tiefer in sein Bärenfell, während er den langen See entlangging. Die Hirsche hörte er auf der anderen Seite des Sees brüllen. Er war keine Gefahr für sie. Noch nicht. Er kundschaftete aus, wo es gute Orte gab zum Fallenstellen, und wenn er einen fand, dann führte er später einmal seine Leute dorthin. Wenn er losging, um sich die Umgebungen anzuschauen, blieb er oft wochenlang weg. Er mochte es, sich im Sommer was an dem See zu angeln und dazu Beeren zu futtern. Im Sommer war das Leben leicht, da wuchs das Gras, da blühten die Blumen, da war es warm. Aber der Sommer war nun schon fast rum und der Herbstwind fiel kalt vom Norden über ihn her. Im Norden, so sagte man, wohnten noch die Eisriesen, denen kein Mensch gegenüberzustehen wagte, aber gesehen hatte sie noch niemand. Der alte Brek hatte erzählt, man müsse einen ganzen Sommer nach Norden wandern, dann könne man sie sehen. Aber der hatte auch nur die Geschichte weitererzählt, so wie er sie gehört hatte. In Wahrheit wußte niemand, was Eisriesen überhaupt sind. Gont hatte jedenfalls nicht vor, sie kennenzulernen. Wenn der lange See ein Ende hatte, dann bot sich da vielleicht eine Chance. Es galt, die Wege der Tiere zu erkunden, um herauszufinden, wo man sie attackieren konnte. Der See bot schonmal eine Begrenzung von einer Seite, wenn dann noch eine steile Böschung an guter Stell dazukam, reichte das, um ein oder zwei Tiere abzufangen.

Aber in Wahrheit war er schon zu weit abgekommen. Er war jetzt zwei Wochen unterwegs, und in Gegenden unterwegs, die er nie zuvor gesehen hatte. Dieser See war zu weit weg von ihren Jagdgebieten, und Gont wußte das genau. Er war kurz davor, sich einzugestehen, daß er sich verirrt hatte, aber erst wollte er noch herausfinden, ob eine Furt am Ende des Sees zum Fallenstellen geeignet ist. Und so ging er weiter. Und fror. Der Sommer war mal wieder kurz gewesen, und es war Zeit, zu seinen Leuten zurückzukehren. Viel vorzuweisen hatte er nicht dieses Jahr. Erst hatte ihn eine späte Erkältung im Frühjahr zurückgeworfen, und nun hatte er sich verlaufen. Er wurde alt, ganz sicher. Er hatte immer von sich gedacht, jung zu sein, sein Leben noch vor sich zu haben, aber auf einmal begriff er, daß sich seine Zeit schon wieder neigte. Seine besten Jahre hatte er schon gehabt. Er war zwei Jahre glücklich gewesen mit Maha, und damals schien es ihm, als würde der ganze Stamm nur darauf warten, ihn als Anführer in ihre Mitte wachsen zu sehen, und er hatte nicht gemerkt, wie falsch er damit gelegen hatte. Als Maha sich einen anderen Favoriten suchte, verließen ihn auch ihre Freunde, und plötzlich stand er alleine da und verlegte sich aufs Kundschaften. Erkundungen, die er nur all zu oft dazu nutzte, sich tage- und wochenlang unsichtbar zu machen. Er wußte gar nicht, warum er sich so hatte. Klar, war seine Eitelkeit verletzt, und er war auch wirklich ein aufgeblasener Pfau gewesen, aber das hatte außer ihm selbst schon wirklich jeder wieder vergessen, und nur in ihm bohrte und nagte die Erinnerung und machte es ihm unmöglich, sich ungezwungen auf seine Leute wieder einzulassen, und die junge Gade, die wollte was von ihm, und er ließ sie immer so doof abblitzen, warum, das wußte er selber nicht so genau. Und deshalb verschwand er er immer wieder lieber im Wald, anstatt alsbald nach Hause zu kommen, wo es immer genug damit zu tun gab, Holz für den Winter zu sammeln oder Vorräte anzulegen. Und nicht zum ersten Mal dachte er daran, gar nicht mehr zurückzukehren. Und was dann? Wie sollte er durch den Winter kommen? Alleine? Das war unmöglich! Aber insgeheim hatte Gont sich schon alle Pläne dafür gemacht: Er brauchte einen trockenen Platz und einen Zundervorrat, ernähren würde er sich von der Jagd auf Feldhasen, Eichhörnchen und Aale, und Holz mußte er sich immer holen gehen. Wenn nur nicht so viel Schnee kommen würde. Dann wäre er verloren, das wußte er. So oft er es auch durchgespielt hatte, es wäre möglich draußen zu überleben, aber wenn der Schnee zu tief fiel, hatte er keine Chance. Er würde kein Holz mehr holen können und erfrieren. Sein Steinbeil taugte allenfalls dazu, Schößlinge abzuschlagen und Zweige zu bearbeiten, aber wenn genug Totholz herumlag, dann konnte das schon reichen, für einen alleine.

 

Die Furt war eine reine Katastrophe. Immer wieder sank Gont knietief ins Wasser und wurde von schwerer, schlammiger Erde festgehalten. Der Morast nahm schier kein Ende, aber als er umkehren wollte, merkte er, daß er die Richtung verloren hatte. Zu dem eisigen Wind war ein Nebel gefallen, und schließlich kämpfte er sich nur noch in Verzweiflung vorwärts, nicht wissend, ob er vor oder zurück ging, und war so froh, schließlich festen Boden wieder unter den Füßen zu haben, daß er sich auf den Boden warf und losheulte. Plötzlich wurde ihm klar, wie albern er sich verhalten hatte, und daß es nun sein Schicksal war, hier draußen zu erfrieren. Er hatte es zu weit getrieben, er würde nicht mehr nach Hause kommen. Die Furt konnte er nicht noch einmal durchqueren, und der Weg zurück auf der anderen Seite war wieder neu, war wieder unbekannt, und er konnte nicht mehr hoffen, rechtzeitig zu seinen Leuten zurückzukehren. Jetzt galt es nur noch, alles zu tun, um den Winter vielleicht doch zu überleben. Und dafür gab es nur einen Ort: Hier. Er mußte sich einen geschützten Ort suchen und das beste draus machen.

 

Die erste Nacht verbrachte er irgendwo unter einem herrenlosem Baum, nass, zitternd, frierend. Am zweiten Tag war er vollkommen entkräftet und blieb zitternd da liegen, wo er war. In der Nacht wurde es dann so kalt, daß er in die Nacht hineinging, um nicht zu erfrieren. Als es hell wurde, sammelte er Holz und machte sich ein Feuer. Er aß von den Flechten am Boden und die dunklen Beeren, die schon vertrocknet waren, aber immer noch schmeckten. Trotzdem wurde sein Hunger immer größer, und er mußte jagen. Aber er sah nichts, was er jagen konnte. Aufs geratewohl ging er ein Stück landeinwärts. Das Land führte vom See weg recht steil bergauf, und oben gab es einen weiten Blick über das dahinterliegende Land: Weiche Hügel, sanft gewellt wie die Hüfte einer Frau, und schon dachte er an Maha, und eine bittere Galle kam in ihn hoch. Irgendetwas war so falsch gewesen, aber er konnte es weder benennen noch verstehen. Und dann dachte er an Gade, wie sie sich ihm hingegeben hatte, obwohl er sie eigentlich gar nicht gewollt hatte, und plötzlich begriff er, um wieviel ehrlicher ihre Liebe gewesen war, und daß er sich hatte blenden lassen von der ruhmsüchtigen Maha, die ihn nur so lange hatte haben wollen, wie er die erste Wahl zu sein schien, aber dann ... ja, was war es denn gewesen? Warum hatte er sich dann doch überflügeln lassen? Mird war ein tüchtiger Mann, ohne Frage, wenig geistreich, aber ehrlich, anpackend und zuverlässig. Das sein Rat mehr wog als der des gewitzten Gont hätte der nicht für möglich gehalten, und genau darin zeigte sich seine Überheblichkeit. Und mittlerweile hatte er auch begriffen, daß der Chief nicht der gewitzteste und klügste sein mußte, sondern der, der es verstand, mit allen zusammen eine gemeinsame Sprache zu sprechen, damit die Organisation klappte. Gont wußte jetzt nicht mehr, wie er jemals hatte denken könne, daß sei anders. Er meinte, im Nordosten eine Rinne zu entdecken, die ein Fluß, zumindest ein Flüßchen sein könnte. Er brauchte ein fließendes Wasser, also hielt er darauf zu. Und plötzlich befand er sich mitten auf einer Waldlichtung direkt am Fluß, vor einer vom Sturm gefällten riesenhafte Eiche, die quer im ersten Ast einer hohlen Buche lag. Das war genau das, was er brauchte!

 

Es kamen noch sonnige Tage, und der schöne Teil des Herbst war bald so lang, daß er schon dachte, er hätte es ja doch noch nach Hause schaffen können, wenn er nur losgegangen wäre. Vergebliche Gedanken! Manchmal kam es ihm so vor, als sei er der einzige Mensch, der ständig mit diesen Gedanken im Kopf herumlief, der sich Dinge erklärte und Beobachtungen anstellte, anstatt einfach nur zum erledigen der notwendigen Routinen und vielleicht für ein bißchen Sex und Klamauk benutzt zu werden und ansonsten im Leerlauf vor sich hin zu stottern. Manchmal redeten die Frauen so, als würde ihr Mund automatisch die Antworten geben, während sie an etwas ganz anderes dachten. Das fand Gont unheimlich, aber konnte er als Junge noch mit gewitzten Sprüchen das für sich drehen, bedeutete das nun in den letzten Jahren, daß er weder mit den Frauen, noch mit den Männern gut stand und plötzlich, als Ergebnis einer langen Entwicklung, stand er ganz alleine. Nur Gade hatte zu ihm gehalten. Und nun war er hier draußen, und nichtmal Gade war da. Aber er verwebte Reisig, um sein Dach zu decken, verbrachte den halben Tag damit, Zunder zu sammeln und aß Aal aus dem Bach. Nebenbei checkte er die Holzvorkommen der Umgebung aus und schleppte schonmal ran und bereitete vor.

Der Winter kam spät, aber plötzlich. Es schneite und hörte nicht auf zu schneien. Als eine meterhohe Schneedecke lag, wußte Gont, daß er verloren hatte. Er verfeuerte mißmutig die paar Zweige, die schon vor der Hütte lagen und rechnete sich aus, wie viele er Tage er noch so ausharren konnte, ohne Holz nachzuholen. Drei, vielleicht fünf.

Aber er hatte Glück. Der Schnee verging in einem schweren Regen, der den Boden in eine tiefen Morast verwandelte. Nur der hohle Baumstumpf blieb halbwegs trocken, und Gont verbarg sich, so gut es ging. Das Feuer brannte nicht mehr, aber eine Nacht braucht der Mensch kein Feuer im Regen.

Und wieder hatte er Glück im Unglück, denn der Sturm hatte zwar große Teile seiner Behausung wieder bernichtet, aber auch jede Menge Bäume umgeworfen, die nun bequem zum feuern auszuschlachten waren.

 

Als die Tage wieder länger wurden, fing er an, den Aal nicht mehr zu vertragen. Er versuchte, das Fett auszuwaschen, aber das half nichts. Was half, war Bucheckern zu sammeln. Es dauerte den ganzen kurzen Tag, sich an ihnen sattzufressen, aber auch davon mußte er sich übergeben, und den nächsten Tag verbrachte er im Fieberdelirium, wo ihm ein aufgebrachter Brek erklärte, daß die Eisriesen jetzt vermutlich viel weiter als eine Sommerreise im Norden wohnen würden, denn es würde ja jetzt wärmer jedes Jahr. Gont hatte nicht gefunden, daß es wärmer wird, aber jetzt der Winter war so einfach und klein gewesen, daß es gar nicht schlimm war, ihn zu überstehen. Bei diesem Gedanken mußte er wieder kotzen. Waren es denn seine Gedanken, die ihm Übelkeit verursachten?

Als es ihm besser ging, schien der Winter wie vorbei. Eine warme Sonne breitete sich über die Eisränder am Bach, und die ersten Keime wagten sich aus dem Boden, das Gras bekam seine Farbe wieder, er schien es überstanden zu haben. Solange er den Aal noch vertrug!

Bald brauchte er den Aal nicht mehr. Den halben Tag war er damit beschäftigt, sich Giersch und Gundermann zu pflücken und in den Mund zu schieben. Die Farbe kehrte in die Welt zurück, und obwohl es in den Nächten noch bitterkalt war, waren die Tage schon sommerlich warm, wenn sich die Sonne zeigte, und Gont zog es auf weite Erkundigungen in das Umland. Nach Norden erstreckte sich ein riesiges Sumpfareal, daß eine Grenze nach Osten steckte. Nach Süden und Westen erstreckten sich Seen und Wälder, durchzogen von großen Sumpfgebieten, durch die kein Durchkommen war. Das machte hier die Wege weit, und irgendwann merkte Gont, daß er nicht weit laufen mußte, um Entdeckungen zu machen. Viel spannender war, welche Pflanzen gerade hier wuchsen, welche Vögel flogen, und an welchem Platz er den schönsten Blick auf den Sonnenuntergang hatte, den er immer so gerne ansah. Und dann dachte er daran zurück, wie er ihn mit Gade angesehen hazzr. Auch das war eine Erinnerung mit Gade. An Maha dachte er nicht mehr. Und als der Frühling weiter ins Land zog, und Rhabaraberpflanzen sich aus dem Boden schoben, den er sich im Erdloch mit heißen Steinen kochte, reifte in ihm der Plan, zurückzugehen, um Gade zu suchen und hier mit herzunehmen, wenn sie denn wollte. Da war er sich nicht so sicher. Er hatte sie immer zurückgestoßen, es wäre dumm von ihr, würde sie auf ihn warten.

Und so verließ er die kleine Hütte, die es mittlerweile schon war, und machte sich auf den Weg nach Süden, am langen See vorbei, und dann durch die trockenen Wälder. Es gab einige steile Klippen dort, und mit Glück fand er einen Jagdtrupp, mit dem er wieder zum Sommerquartier zurückfinden könnte.

 

Von seiner Wanderung erzählte er zuhause nicht viel. Nur, daß er ein schönes Land gefunden habe, nördlich der trockenen Wälder, wo man gut leben könne. Aber keiner hatte Interesse daran, ihre Reviere zu wechseln. Es ging ihnen gut. In den Wäldern war Wild, in den Flüssen Fisch, Pflanzen gab es genug zu essen und die nächsten Nachbarn waren zwei Tagesmärsche entfernt oder mehr, je nachdem, wo die sich gerade aufhielten. Zum Sonnenwendfest kamen oft einige junge Männer, die den langen Weg nicht scheuten, und die sich mit den jungen Frauen vergnügten. Manchmal ging eine mit zum anderen Stamm, und umgekehrt war es ja genau so. Man nahm gerne die Frauen auf, die die Männer anschleppten. Frauen, das hieß Kinder, und Kinder, das war die Zukunft. Kein Stamm konnte überleben, wenn er sich nicht um seinen Nachwuchs kümmerte. Man wußte, daß Frauen schwanger wurden, weil sie mit Männern zusammen waren, es gab da einen echten Zusammenhang, der Gont sehr folgerichtig erschien, denn für ihn schien es, als sei das ganze Leben nur sinnvoll, weil es Frauen in ihm gab. Gade hatte nicht auf ihn gewartet, warum auch, sie hatte ein Kind, das an ihrem Busen hing, und sie war immer noch eng mit Ard, der nicht von ihrer Seite wich und Gont eifersüchtig beäugte. Aber niemand wäre auf die Idee gekommen, einer Frau zu sagen, zu wem sie sich legen sollte oder nicht, und es dauerte nicht lange, da lag Gade wieder bei ihm. Sie lagen nachts stundenlang nebeneinander, sich irgendwo berührend oder aneinander schmiegend, und redeten, nicht nur über den Stamm und die Leute und seine Reise, auch über die Sterne, die doch immer am Himmel stehen, und den Lauf der Sonne, über die großen Sehnsüchte, über die Eisriesen und die Sommergöttin, und wie die Geister die Welt geschaffen hatten. Oft wachte das Kind auf, und dann stillte Gade es, da tagsüber aber sich die Alten um die Kinder kümmerten, und sie dann schlafen konnte, wenn es nottat, war es einfach eine schöne Zeit. In diesem Sommer war Gade es zufrieden, Speere zu schnitzen, Holz zu sammeln und sonst sich in der Gruppe nützlich zu machen, es zog ihn nicht mehr auf Streifzüge, und so waren die Leute auch zufriedener mit ihm, und es war so gut, wie es immer hätte sein können. Fast. Es gab immer drei, die ihn schnitten. Das waren neben Ard auch Maha und Mird, die das Zentrum des Lagerfeuerkreises waren, und die miest sagten, was zu tun sei, wenn es denn eine Entscheidung geben mußte, was selten genug vorkam. Meist wußte jeder selbst am Besten, was zu tun war, und nur manchmal kam es darauf an, vorab das geeignete Zeitfenster und den Ort für eine Großjagd auszuwählen.

 

Am Ende des Sommers kam Beron zurück. Er war auf Kundschaftstour durch die benachbarten Stämme gewesen. Die Alten sagten, das gab es früher nicht, das ständig jemand auf Kundschaft war. Damals wäre man in seinem Stamm geblieben, und allenfalls zum Mittsommer feierte man mit einem benachbarten Stamm gemeinsam. Die Jungen behaupteten, man würde Dinge erfahren, wenn man im Austausch stand, aber was das für Dinge waren, oder worin ihre Nützlichkeit bestand, das mochten sie nur selten zu sagen. Trotzdem waren sich alle einig gewesen, Beron loszuschicken, und jetzt waren sie begierig auf seine Erzählungen. beron begann mit den Leuten die sie kannten von den Nachbarstämmen, erzählte von den drei Frauen, die letztes Jahr dorthin gezogen waren, und es ging ihnen gut und sie waren zufrieden, wenn auch Lena sich bereits von ihrem Freund getrennt hatte und bei anderen schlief. Zurück wollte sie jedenfalls nicht. Und da in ihrer Gruppe auch mehrere Frauen aus diesem Clan lebten, dauerte es lange, bis Beron all den Klatsch erzählt hatte, den sie zu wissen wünschten. Wie ging es dem und dem, und so weiter. Und Beron gab sich Mühe, alle Fragen zu beantworten, er war ärgerlich auf sich selbst, wenn ihm etwas entfallen war oder er sich an jemanden nicht erinnern konnte, ansonsten waren seine Auskünfte gut genug, zur Zufriedenheit dder Clanbewohner. Nur die alte Firla brummte, man solle doch besser eine Frau kundschaften schicken, die würde mit mehr Informationen heimkehren. Einig waren sie sich aber alle, daß diese Kundschaftstour eine erfolgreiche war, ganz im Gegensatz zu der mißlungenen von Gont, der außer seinem blanken Leben mit leeren Händen zurückgekommen war. „ich habe ein Land entdeckt, in dem wir leben können“ befand er dann immer wieder, aber das galt nichts. „Wir haben ein Land, in dem wir leben können. Wir brauchen nicht zu den Eisriesen gehen.“ „Die Eisriesen sind da gar nicht mehr!“ „Bloß weil sie dich verschont haben! Sie haben dich wohl nichtmal bemerkt, allein und unscheinbar.“

Es hatte keinen Zweck. Solange er einsah, daß seine Kundschaftstouren sinnlos waren, und effektiver, sich um die Arbeiten am Lager zu kümmern, war alles in Ordnung. Als reumütiger Sünder war er akzeptiert. Aber wenn er anfing, davon zu reden, nach mecklenburg zu gehen, wiesen ihn die anderen darauf hin, daß er besser nicht nochmal so grundlos abhauen solle. Immerhin sei man eine Gemeinschaft, und arbeite und funktioniere zusammen. Was er sich einbilde, alles auf eigene Faust machen zu können.

Nur Gade ließ sich von ihm erzählen. Das sie viel Zeit miteinander verbrachten, störte niemanden außer Ard, der immer noch eifersüchtig war. Und so kam ein strengerer Winter, in dem vier der sieben kleinen Kinder starben, dann ein durchwachsener Sommer und dann ein ausnehmend milder Winter. Es gab kaum Frost, was nicht zum Guten war, denn auf den nassen Böden ließ sich kaum laufen, und man sehnte sich nach dem klaren Schnee und dem Frost, nicht weil man es gerne kalt hatte, sondern weil sich darin besser wirtschaften ließ.

 

Als im Frühjahr das Land wieder passierbar wurde, standen auf einmal zwanzig Leute des benachbarten Clans vor ihnen. Sie waren hungrig und krank und erzählten von einem schrecklichen Winter, in dem ihr Lager auf einmal im Regen versank, ihre Vorräte verdarben, ihre Hütten brachen in sich zusammen und mitten im Winter mußten sie fliehen, erst zu einem Sommerlager, dann hierher. Die Kranken hatten sie zurücklassen müssen und nicht nur die Kinder starben an Entkräftung, und so war dies der traurige Rest des ganzen Clans.

 

Der Sommer wurde chaotisch. Mird und Maha schafften es nicht, die neuen von ihrer Autorität zu überzeugen, insbesondere die charismatische Jund, die die Reste ihres Clans gerettet hatte, wehrte sich gegen die Bevormundung durch die deutlich behäbigeren Alteingesessenen. Sie wollte sich gar nicht integrieren, sondern sich einen neuen Platz zum Leben suchen, am besten mit einem Clan unter ihrer Führung und litt darunter, Hilfe in Anspruch genommen haben zu müssen. Die Zentrifugalkräfte der Gruppe wurden so exponiert, und Gont und Gade sahen sich in der unangenehmen Lage, von den Neuen hofiert zu werden, und so gegen die eigenen Leute ausgespielt zu werden. Aber sie hatten deutlich mehr gemeinsam mit den neuen, mit ihnen war Reden, Lachen und Träumen von einem besseren Leben, in dem nicht die Mittelmäßigen alle ehrgeizigeren Pläne zerredeten, bis nichts mehr davon übrig blieb.

Gont erzählte von Mecklenburg. Ein schwer zu erreichendes Land, überall unüberwindbare Sümpfe und große Seen. Kalt im Winter, aber lieblich im Sommer. Genügend Fisch und Wild. Er hatte schon daran gedacht, in einem von Sümpfen umschlossenen Winkel trockenen Landes Wildschweine zu haltenm die dort nicht wegkönnten, als Lebendlager sozusagen. Jund war begeistert, und wäre am liebsten gleich aufgebrochen, aber ein überstürzter Aufbruch ins Ungewisse konnte ihrer sicherer Tod sein. Stattdessen machten sie einen Plan: Sie würden noch mehr Menschen Bescheid geben, indem sie Kundschafter zu den benachbarten Clans schickten, und sich zeitig im Frühjahr treffen, um gleich nach Beltane schon loszuziehen.

Das waren sehr gute Pläne, aber sie brauchten viele Abende an den Lagerfeuern, um geschmiedet zu werden, und es blieb nicht aus, daß Gont und Jund sich dabei näherkamen. Wie die Menschen das mit der Treue hielten, blieb ihnen weitgehend selbst überlassen. Jeder suchte sich aus, mit wem er zusammen ein Lager teilte, und es war nciht ungewöhnlich, daß jemand sein Lager wechselte, auch wenn viele Paare jahrelang zusammenblieben. Jemand, der verlassen wurde, wurde oft auch umgehend getröstet, und es war natürlich nicht unkompliziert oder einfach, aber es gab wenig Vorstellungen davon, wie es zu sein hatte, und was richtig und falsch war. Als Gont mit Jund schlief, wartete Gade nicht auf ihn. Sie wollte mit keinem anderen Mann schlafen, aber sie kuschelte sich mit Hera und Ganya zusammen, Freundinnen von Jund aus der neuen Gruppe, und behielt ihre Traurigkeit für sich. Ard witterte sofort seine Chance, und ein paar Nächte schlief sie mit ihm, aber das machte sie nur noch trauriger, denn sie vermisste Gont sehr.

Der aber erlebte seinen zweiten Frühling, fühlte sich frei und stark, machte Pläne, redete ununterbrochen, fast so wie er gewesen war, als er mit Maha zusammen war. Gade wußte, daß sie ihn jetzt nicht erreichen konnte. Sie sah ihn, wie er wirklich war. Der echte Gont war nicht redselig, der echte Gont suchte die Einsamkeit und das Abenteuer, und dafür liebte sie ihn. Aber wenn er sich von den Leuten so mitreißen ließ, verlor er sich, und oft genug war es peinlich, mitanzuhören, welche hochtrabenden Pläne er für das neue Land hatte, daß doch im Grunde nichts anderes war, als einfach ein neues Land, in dem man leben konnte. Gade sehnte sich selbst auch danach, es zu sehen, und daß es endlich losging, doch da lag noch der lange Winter davor. Sie hoffte, Gont würde sich bis dahin einige Hörner abgestoßen haben.

 

Es mußte noch mehr abgestoßen werden. Als es an die Herrichtung des Winterlagers ging, brach offener Streit um die besten Plätze aus, die Maha und Mird für sich und ihre nächsten Freunde reklamierten, während Jund und Gont und ihre Leute wie ungebetene Gäste am Rand leben sollten, anstatt, wie Jund es formulierte, zwei gleichberechtigte Clans an einem Platz zu sein. Ein Vermittlungsversuch von Gont mit Maha endete mit gebrüllten gegenseitigen Vorwürfen, und der Kompromiss, der schließlich dadurch gefunden wurde, daß man auf jede Entscheidung verzichtete und den Dingen einfach ihren Lauf ließ, löste die Konfliktlinien nicht auf. Und so war es ein unfriedlicher Winter, in dem um die Vorräte gestritten wurde und um die Deutungshoheit am Lagerfeuer. Jund schickte Gont wieder zu Gade, da ihm seine Selbstgerechtigkeit auf die nerven ging, aber auch gade wollte nun nichts von ihm wissen, und Gont traf sich dann mit Ganya, das brachte Gade gegen Ganya auf und sie hielt sich an Tam, einen der attraktiven jungen Burschen aus Junds Gruppe, der wohl mal mit Ganya zusammen gewesen war, jetzt aber mehrere Beziehungen unterhielt, unter anderem auch zu Maha, die unzufrieden mit ihrem mird war, weil der die Situation nicht unter Kontrolle brachte, und gegen Ende des Winters wußte niemand mehr, wer zu wem gehört, die sozialen Strukturen waren aufgelöst und es gab nur noch ein Chaos von widerstrebenden Einzelinteressen. Dabei sehnte sich Gont in Ganyas Armen nach Gade, wie sie sich nach ihm sehnte, aber ihr Stolz hielt beide davon ab, zueinander zurückzukehren. lieber nahmen sie schlechten Sex und Streitereien in Kauf.

 

Als das Frühjahr kam, warteten sie gerade Beltane ab, und machten sich am nächsten Tag auf den Weg. Sie waren eine stattliche und große Gruppe, denn viele waren dem Ruf der Kundschafter gefolgt, und aus den benachbarten Clans rechtzeitig gekommen. Junge Menschen, die mit ihren Hoffnungen die Streitereien in der Gruppe zum Erliegen brachten. Daß es genug Menschen waren, um eine neues Land besiedeln zu können, beruhigte die Stimmung bei den Aufbruchwilligen. Jund war geschmeichelt, weil sie als Führerin anerkannt wurde, und Gont und gade kamen auf einmal ganz unkompliziert wieder zusammen.

Der Weg, den sie zu gehen hatten, war nicht unkompliziert. Vom Süden kommend, ist in Berlin so etwas wie ein Ende der Siedlungszone erreicht. Unpassierbare Sumpfgebiete im Norden und Westen verhinderten effektiv jede Expansion in diese Richtungen, aber im weiten Bogen nach Nordosten gab es eine Furt, die Finowfurt, dann ging es wieder nach Westen über die Schorfheide, dann nachNorden bis Templin, wo es eine unangenehme, aber passierbare Furt über das Templiner Wasser gab. dann weiter nach Nordwesten zu einer fast unpassierbaren Furt bei Himmelpfort, dann in nordöstlicher Richtung bis zu den heiligen Hallen. Im letzten Sommer hatte er wohl noch weiter geguckt, aber das war nun weit genug. In Richtung Westen und Norden wäre es dann weiter gegangen nach Bergfeld und Blankensee, und von dort aus den Höhenzug entlang bis hin zum langen See, der später Tollensesee heißen sollte. Aber nun reichte das erstmal. Das trockene Gelände um die heiligen Hallen war groß genug, um einen ausgewachsenen Clan zu ernähren.

 

 

2

 

Die Gletscher hatten sich zurückgezogen und ein riesiges Feuchtgebiet hinterlassen, in dem Birken und Pappeln wuchsen. Ein Paradies für die Fauna, nahezu unzugänglich für den Menschen. Erst langsam verbanden sich die trockengefallenen Hügelrücken zu Wegen ins Landesinnere. Die Niederungen blieben noch lange sumpfig und unbenutzbar. So war Mecklenburg schon vor zehntausend Jahren ein Land, in dem die Wege fehlten, ein Problem, daß sich durch die Jahrtausende zog, nicht nur zum Schaden, aber auf Kosten der Entwicklung. Wer nach Mecklenburg gelangt, hat damals wie heute ein fruchtbares Land mit vielen Möglichkeiten und wenig Nachbarn. Die Jäger und Sammler um Gont können durchaus über die Finowfurt eingewandert sein, der vielleicht einzige passierbare Weg zwischen Elbe und Oder. Aber im Winter, wenn alles vereist war, konnte man jeden Weg nehmen. Dennoch: Die Elbe war damals mehr als ein überschaubarer Fluß, sondern ein reißender Strom von mehreren Kilometern Breite. Als das Eis geschmolzen war, normalisierten sich die Durchlaufmengen des Wassers, aber die Elbe war und blieb eine Besiedlungsgrenze, Südlich des Elbe Urstomtals die fruchtbaren Mittelgebirge mit ihren Lößböden, nördlich davon das relativ flache Land, daß vom Eis neugeboren war: Eine riesige Schlammlawine, die sich als End- und Grundmoränen setzte, dazwischen Abflußrinnen und Eiseinschlüsse, die heutigen Flüsse und Seen.

 

Die Menschen vor zehntausend Jahren waren im wesentlichen wie wir: Kräftiger und gesünder auf jeden Fall, das bedingte das einfache Leben, intelligenter wahrscheinlich auch, immerhin hatten sie sich in einer realen Welt zurechtzufinden und mußten diese kennen, um zu überleben, während wir uns heute damit begnügen können, die Funktionalität innerhalb des Systems zu erfüllen, und dazu brauchen wir wenig andere Fähigkeiten, als, die, zu gehorchen und uns anzupassen, dann wird für uns schon gut gesorgt. Diese Möglichkeiten hatten die Wildbeuter von damals natürlich nicht.

Das freie und wilde hatten die Wildbeuter Mecklenburgs aber durchaus nicht mit allen menschen der damaligen Zeit gemein: Weiter im Süden entstanden schon Städte, und die landwirtschaftlichen Möglichkeiten begannen das Leben der Menschen grundlegend zu verändern. Weiter im Süden waren auch schon große Steinskulpturen hergestellt worden, wie die Sphinx oder der Tempel von Göpleki Tepe. Einen solchen Ehrgeiz hatten die nördlichen Wildbeuter nicht, oder wir wissen nichts von ihm, jedenfalls erscheint es nur logisch, daß Zivilisationen dort entstehen, wo Menschen anfangen, zusammenrücken zu müssen, weil sie viele geworden sind. Wo soziale Ordnungen geschaffen werden müssen, um das Leben zu organisieren. Der Wildbeuter braucht so etwas nicht. Er ist immer frei und macht das, was er will. Er schließt sich mit anderen Menschen in einer Gruppe zusammen, weil so das Überleben einfacher ist, aber mehr als die achtzig Leute seines Stammes braucht er nicht zu kennen. Es war wohl so, daß die jungen Frauen die Gruppen wechselten. Frauen waren schon immer kommunikativer und die Hüter der Sprache, ihnen fiel ein Wechsel leichter als den schwerfälligeren Männern, aber ein Gesetz hat niemand daraus gemacht. Jeder war frei, zu tun, was ihm beliebt, solange, bis die Indogermanen das Kali Yuga brachten, Krieg, Unterdrückung und Gewaltherrschaft. Die kannte Gont nicht.

 

 

3

 

Gont war als Vertreter der frühen nacheiszeitlichen Jäger und Sammler Mitteleuropas, blauäugig und dunkelhäutig, eine Mischung, die heute Seltenheitswert hat. Die blauen Augen sind dabei möglicherweise schon auf die Neandertaler zurückzuführen, aber ihr Zweck läßt sich nicht erkennen. Die dunkle Haut hingegen ist die normale Haut des Menschen, und so lange nicht Menschen in nördlichen Breiten eine einseitige landwirtschaftliche Ernährungsweise bevorzugen mit nur geringen Mengen von Wildfleisch und Fisch, solange bleibt die Haut dunkel. Die Landwirtschaft kam vor achttausend Jahren langsam nach Mitteleuropa, und zwar mit sich ausbreitenden Einwanderern aus Kleinasien. Diese „Syrer“ entwickelten die weiße Haut. Die Jäger- und Sammlerpopulationen zogen sich zurück, in den Norden, in die für die landwirtschaft unbrauchbaren Gebiete, und für ein bis zwei Jahrtausende lebten die beiden Populationen, die dunkelhäutigen, blauäugigen Jäger und Sammler, und die hellhäutigen, schwarzäugigen Einwanderer, weitgehend friedlich nebeneinander her. In Mecklenburg verblieben zu der Zeit die Jäger und Sammler, denn die schweren Böden der Grundmoränen waren für die einfache Landwirtschaft ohne Zugochsen nicht zu gebrauchen. Von der Sprache der Jäger und Sammler haben wir keine Vorstellung, aber die Sprache der Bauern muß ein Vorläufer dessen gewesen sein, was heute noch als baskisch gesprochen wird. Auch vom Etruskischen und Paläosardischen gibt es spärliche Zeugnisse, und das alles ist einer „vaskonischen“ Sprachfamilie zuzurechnen, die damals also den Komtinent weitgehend beherrschte. Ein Forscher hat mal versucht, Flussnamen auf vaskonische Ursprünge zurückzuführen, wozu sämtliche auf „A“ zu reduzierbare Namensgebungen gehören. Ich selber kann mir gar nicht vorstellen, warum die isolierten Menschengruppen dieser Zeit überhaupt so etwas wie eine gemeinsame Sprache gehabt haben sollen, wissen wir doch, das wenige hundert Jahre ausreichen, um aus Dialekten unterschiedliche Sprachen zu formen: Das deutsche und das englische sind gerade einmal tausend Jahre voneinander getrennt, die Trennung vom holländischen ist kaum fünfhundert Jahre alt. Aber Menschen sind flexibel, und wenn sie fremden Menschen begegnen, wird schnell eine Sprache gefunden, die für beide funktioniert.

 

Die dunkelhäutige, blauäugige Runa war eine entfernte Nachfahrin von Gont, von dem sie aber nichts mehr wußte. Die Ahnen, die waren noch gegenwärtig in den Geistern der Flüsse und Seen, der Hügel, der Bäume und der großen Felsen, die überall herumlagen. Ihre Namen sich zu merken war überflüssig, denn ihren Namen hatten sie mit dem Tod verloren; sie waren wieder eingegangen in das große Spiel des Lebens, wie es sich in allem zeigte, nur manchmal, in den sprechenden Hainen, fand sich eine Erinnerung an vergangene Zeiten. Die Zeit, das wußte man, bewegte sich kreisförmig wie das Jahr, und was heute Vergangenheit war, würde später wieder zur Zukunft werden, weil sich das Rad des Lebens immer weiterdrehte. Und wenn man die Orte kannte, an denen sich Zukunft und Vergangenheit trafen, dann konnte man die Geister um Rat fragen, denn vor der Gegenwart lag manchmal ein undurchdringlicher Schleier. Zum Glück kannte Runa einen solchen Ort: Es war ein kleiner See, ein Weiher, in dem am Morgen der Nebel über dem Wasser lag und am Abend sich die Abenddämmerung spiegelte, denn im Sumpf dahinter wuchsen keine Bäume. Dies war der Platz, an dem sie mit den Ahnen sprach, so wie sie es von der alten Marla gelernt hatte. Die alte Marla hatte ihr verraten, daß im Wasser eines trüben Sees das Wissen der Welt gespeichert sei, und wenn man aufmerksam lausche, würde der See einem die Antworten zuwispern. Das war das, was sie Reden mit den Ahnen nannte, denn die Ahnen und der See, das war dasselbe. Es gibt ja nur die Gegenwart mit allem was in ihr ist, und die andere Welt, mit allem was in ihr ist. So war das.

Und so stand Runa am See und klagte ihm ihr Leid. Denn leiden tat sie. Hathor hatte sich für Dali entschieden, die beiden bauten sich eine Hütte im Dorf und für sie war kein Platz mehr. Runa war ja erst neu hinzugekommen, sie war Teil eines Tauschgeschäfts gewesen, wie sie unter den Stämmen üblich waren. Es war auch nicht schlimm, in das neue Dorf zu kommen, obwohl sie ihre Mutter vermisste, aber sie wurde freundlich aufgenommen, und bald hatte sich auch Hathor in sie verguckt und sie sich in ihn, und es galt als ausgemacht, daß die beiden ein Paar werden würden. Später einmal. Denn die Jungen sollten nicht zu früh Paare bilden, man brauchte die Kraft der jungen Jägerinnen. Für Kinder war später noch genug Zeit. Also gingen sie jagen und hatten zwei fröhliche Sommer, und alle schien gut, aber dann kam Dali hinzu, und sie nahm sich das, was Runa sich erarbeitet hatte. Vor allem die Zuneigung von Hathor, aber nicht nur das. Runa hatte das Gefühl, nicht mehr dazuzugehören, sie fühlte sich einsam und in ihr keimte die Sehnsucht, einfach fortzugehen, nicht nach Hause, sondern hinaus in die Wildnis, dahin, wo keiner sie kannte, und wo Menschen lebten, die von den beiden Dörfern noch nie etwas gehört hatten. Wie groß war die Welt denn? Diese Frage, die sie als Kind schon hatte, hatte ihr nie jemand beantworten können, nur der alte Huni hatte erzählt, daß er einmal im Sommer nach Norden gelaufen sei und da sei ein Wasser gewesen, so groß, daß niemand da je hinüber kommen könnte, und da sei also das Ende der Welt. Und er erzählte, daß vor ihm einmal einer nach Osten gelaufen sei, und da gab es einen Fluß, der zu groß war, ihn zu durchschwimmen, aber auf der anderen Seite schien es nicht anders zu sein als hier. Nach Westen hingegen ging es immer so weiter, da konnte man drei Tage laufen oder fünf, oder auch zwei ganze Wochen lang, und immer reihte sich Hügel an See und Hügel an See, und wenn man Wege fand, konnte man wohl immer weiter so laufen. Und der Süden, da gab es die großen trockenen Wälder, wo außer Kiefern fast nichts wuchs, aber wenn man da hindurchlief, dann traf man auf die anderen Menschen, die Weißen, wie er sagte, obwohl er von ihnen nur aus Hörensagen zweiter und dritter Hand wußte. Niemand bewegte sich freiwillig weiter als zwei Tagesreisen vom Dorf weg, und wer es doch wagte, wurde all zu oft nie wieder gesehen. Aber, wenn sie losging, würde sie auch nicht losgehen, um wiederkommen zu wollen. Sie würde einfach nur losgehen. Sie war die Demütigungen leid, denn die Mütterrunde hatte sich verschwiren, sie nicht mögen zu wollen und war nur so lange fair geblieben wie Hathor sie bevorzugte, aber jetzt. Einfach irgendwo anders hin, war das denn ein Ausweg? Sie saß am See, und erzählte ihm ihre Gedanken, aber der Nebel löste sich langsam auf, der Tag erwachte und keine Antwort kam. Sie müsste jetzt gehen, am Anfang des Sommerhalbjahres, dann hätte sie eine Chance, weit zu kommen und noch Menschen zu finden für den Winter. Im nächsten Winter wäre es wohl zu spät. Der picklinge Moji stand bereit, um sie zu werdebn, und auch wenn sie seinem Drängen nicht nachgeben mußte, damit würde sie sich noch weiter aus der Gemeinschaft des Dorfes herauskatapultieren. Irgendwie hatte es nicht gepasst, mit ihr und dem Dorf. Als bei der Sonnenwendfeier letztes Jahr wieder die Händler aus ihrer Heimat kamen, und berichteten von all dem, was zuhause passiert war, hatte sie noch heimweh gehbt, aber mittlerweile wußte sie, daß sie schon zuhause eine Außenseitern gewesen war. Sie war immer eine Außenseiterin gewesen, und auch wenn hathor sie mochte, hatte es nicht dafür gereicht, sie in den inneren Kreis hereinzuholen, und jetzt wollte sie nur weg. War das schon ihre Antwort? Aber sie hatte nichts gehört! Keine magische Stimme hatte ihr geantwortet, im Grunde sprach sie nur mit sich selber. Aber die zwei Worte, geh los! , die kamen ihr jetzt wie ein Mantra in ihren Kopf, und auch, als sie einen Baum umarmte, die große Linde, die sich am Rand des Sumpfes hielt, auf ihrer kleinen Anhöhe, hörte sie nur geh los, geh los, geh los. Dann gehe ich los, dachte sie, und Tränen schossen ihr in die Augen. Es war mehr als die Ungewißheit, mehr als die Frage, ob sie würde überleben können. Es war ein Abschied von allem, und irgendwie hatte sie ja doch das ein oder andere lieb gewonnen, und sei es nur die alte Huni. Aber das Mantra blieb ihr durch die Tränen erhalten, und als sie ins Dorf zurückging, wußte sie, daß sie nun nur noch ihre sieben Sachen zusammensammeln würde, um sich auf den Weg zu machen. Ihre sieben Sachen waren: Der Feuerstein, der Faustkeil, das Seil, ihren Bogen, das Fell, die Mütze, und schließlich: Die Schuhe. Was war sie verlacht worden, als sie damit angefangen hatte, sich Bärenfelle zurechtzuschneiden, um sie um die Füße zu wickeln und damit zu laufen. „Wieso läufst du nicht auf deinen Füßen?“ und „die zarte Seele mag den Boden nicht berühren“, aber ohne die Schuhe hatte sie immer kalte Füße, und sie verstand nicht, wieso es den Anderen da besser erging. Jedenfalls, sie hatte sich Schuhe gebastelt, und auch wenn die nicht lange hielten, waren sie doch die entscheidende Innovation, die es ihr überhaupt ermöglichen würden, sich einfach auf und davon zu machen.

 

Es ist nicht einfach, aus Mecklenburg fortzulaufen, und am Ende der Eiszeit waren die Niederungen ausgedehnte Feuchtgebiete, die nicht überquert werden konnten. Auf diese Weise mag man wohl Mecklenburg von der Finowfurt kommend aus südöstlicher Richtung erreichen, beginnend mit dem Gebiet des alten Mecklenburg-Strelitzer Gebietes von Fürstenberg und Feldbergfurt, westlich davon allerdings landet jeder Versuch, Mecklenburg in Richtung Süden zu verlassen, spätestens an den Havelsümpfen und dem Urstromtal der Elbe. Westlich erstreckt sich das weite Mecklenburger Land, das Stargarder Land, das Wendische, dann Güstrow und Schwerin, hunderte Kilometer von sanften Hügelketten, unterbrochen von weiten Seen, verwinkelt und idyllisch, wo man auch hinkommt. Wenn man denn hinkommt. Die Wege sind noch nicht erfasst, und nur vereinzelte Menschengruppen haben sie gefunden. Rechnet man das aus dem selben Guss geschaffene Holstein dazu, grenzt Mecklenburg an Friesland, Schleswig, an das Angelland, das Land der Angeln. Die Elbe, das war das Ende der Welt, die konnte nicht überquert werden, nicht weil es ein Fluß wäre von soundsoviel Meter Breite, sondern weil es kein Ufer gab, nur ein endloses Meer von feuchten Inseln und trügerischen Sümpfen. Im Osten Pommern. Pommern ist weitläufiger und schmuckloser, weit weniger Seen, anders. Sicher liegt zwischen Havel, Elbe und Mecklenburg auch noch die Prignitz. Ohne Boote ist das das Ende der Welt. Man weiß aber nichts von Booten zu dieser Zeit. Um 7700 im Etruskerland, so sagt man, sei das erste Boot Europas gebaut worden. Um diese Zeit in Mecklenburg soll es auch schon Menschen gegeben haben. In Woggersin sind Spuren gefunden worden.

Wenn also Runa aus Mecklenburg loszog, um zu anderen Menschen zu gelangen, dann blieb ihr nur die Finowfurt. Zum Glück war ihre Bedeutung mittlerweile schon erkannt worden, und immer wieder traf man auf verlassene Sommerlager, verfallene Torfzelthütten, und Menschen, die dort lebten.

 

2

 

Für Jorek war es eine Sensation, als er die Schuhspuren in der Heide entdeckte. Niemand trug Schuhe, das war einfach nicht nötig. Wozu sollte man stundenlang umherziehen? Es reichte, wenn man ein paar Stunden auf den Beinen war, um was zu sammeln oder zu jagen, sonst saß man in der Runde am Feuer und erzählte sich was, während man noch einen Stein weiter behaute, bis die Kante endlich abgeschliffen war, und Kleidung nähte, passgenaue Kleidung aus Häuten und Fellen, die warm hielt. Die Füße standen trotzdem auf dem kalten Boden. Natürlich wickelten sich die Alten immer Felle um die Füße, um warm zu bleiben, aber dann stolzierten sie so komisch umher und konnte nicht richtig gehen. Wollte man richtige Schuhe bauen, dann müsste man schon eine sehr genaue Idee davon haben, wie das gehen könnte. Es war nicht wirklich wichtig. Füße können auch auf kaltem Boden stehen, jedenfalls, solange man jung und gesund ist. Aber was er hier an Spuren vor sich sah, das mußte ein Schuh sein: Etwas größer als ein Menschenfuß, breiter und fülliger, aber mit des Menschen Rhythmus, der streifenden Bewegung zum Horizont, dem ewigem links rechts der Schritte. Hier war jemand gegangen, der wußte, wie man Schuhe baut.

Und so ging er den Spuren hinterher, und bald fand er tatsächlich Runa, die erschöpft aussah und Wörter sprach, die er überhaupt nicht verstehen konnte. Sie machte keinen Versuch zu fliehen, sondern stand da und sah ihn an. Gemeinsam verließen sie den Platz wieder und Jorek führte sie zu seinen Leuten, die weiter südlich wohnten, in den Wäldern nördlich der Lössböden, wo schon die ersten Landwirte hingefunden hatten, die kränklichen Körnerfutterer. Die Jäger der Wälder und die Landwirte tauschten manchmal etwas miteinander, Bernsteine und Leder gegen Tongefäße oder Werkzeug etwa, mischten sich aber wenig und ließen sich in Ruhe. Die Landwirte waren kränklich, und relativ schnell entwickelten sie die weißliche Hautfarbe, mit der die Winter besser zu überstehen sind. Landwirte brauchen Vitamin D aus dem Sonnenlicht, und das gibt es im Norden im Winter zu wenig. Den Wildbeutern macht das nichts aus, sie essen Fisch und Wild und leiden keinen Mangel. Das ist ja das tragische an der Landwirtschaft, indem sie das Versorgungsproblem löst, schafft sie etwas, daß es bis dahin nicht gegeben hatte: den Mangel. Ein Wildbeuter hat alles was er braucht. Ein Landwirt muß hart arbeiten, und der Acker ernährt ihn gerade mal selber. Es fehlt an Vitaminen, außerdem locken die Vorräte Mäuse und Ratten an und mit ihnen Flöhe und Milben, Krankheiten und dem absurden Gefühl, Hunger zu haben, auch wenn genug zu essen da ist.

 

Noch weiter südlich, hinterm Erzgebirge, hinter Böhmen und Mähren, liegt die Donau, die in das Schwaze meer fließt, und hier ist zu dieser Zeit die Party im Gang. Die warme Senke des dunklen Meeres bietet ein ideales feuchtwarmes Klima, die Böden sind fruchtbar, die Deltagöttin ist das Zentrum der paradiesischen Menschen. Der Apfel kommt aus dem Kaukasus, sagt man, aber das war jetzt schon einige Jahrtausende her. Die Landwirtschaft organisiert das Land, Dörfer finden sich zu Stämmen zusammen, eine matriarchale Ordnung, die auf Vertrauen und gegenseitiger Verantwortung basiert. Paradiesische Zustände, das Goldene Zeitalter, beendet durch die Sintflut. Der Bosporus bricht, und riesige Wassermengen stürzen in die Ebene, begraben alles unter sich, was jemals dort gestanden hatte. Natürlich sind nicht alle gestorben. Aber die Metropole war dahin, und was es einmal gegeben hatte, das gab es nun nicht mehr. Viele zogen die Donau hinauf, und in Vinca gründeten sie ein neues Reich, und in Vinca, da fing man dann auch schonmal mit Gold an, und schrieb Zeichen auf, die rituelle Bedeutung hatten, die ersten Runen, und das war vor 7000 Jahren.

 

Jorek und Runa kannten kein Gold, sie waren dunkelhäutig und blauäugig, Abkömmlinge der ersten Mitteleuropäer nach der Eiszeit. Das im Süden Ackerbauern wirtschafteten, störte sie wenig, es waren Nachbarn, fremdartig, anders, aber man konnte miteinander leben. Die Fremden ernährten sich die sie Brot nannten, die zwar nicht schmeckte und grausam schwer im Magen lag, die man aber in kleinen Hütten über den ganzen Winter über lagern konnte und eine unglaubliche Anzahl von Mäulern satt machte. Naja, nicht satt machte: überleben ließ. Jorek bezweifelte, daß die Bauern überhaupt einmal satt waren, „Wie sollten sie? Sie essen viel zu wenig Fleisch, und stell dir vor, sie sammeln keine Kräuter!“ „Wieso das denn nicht?“ fragte Runa, die gelernt hatte, mit der Zunge vorn Joreks Leuten zu sprechen. „Sie sagen, der Weizen sei ein Geschenk ihrer Götter und gäbe ihnen alles, was sie zum Leben bräuchten. Es ist verpönt unter ihnen, von der Wiese zu essen!“

„Komische Leute! Was sind Götter?“

„Das habe ich nicht so ganz verstanden, ich kann ja auch mit ihnen nicht reden, und alles was ich weiß, weiß ich von Muosi, der sich nicht für alles interessiert. Götter, sagt er, sind so etwas wie Geister, die nicht in der Natur hausen!“
„Wie soll das denn gehen?“

„Vielleicht kommen sie von den Sternen, mächtige Wesen, die in sekundenschnelle große Feuer entzünden können.“

„Ach so, die Himmelsgeister!“

„Nein, eben nicht Geister. Aber auch keine Menschen. Das ist alles sehr kompliziert.“

 

Damit gab sich Runa nicht zufrieden. Sie wollte mehr wissen, aber aus Muosi war nicht wirklich etwas herauszubringen, was nicht mit Handel und handfesten Dingen zu tun hatte. Ihn faszinierte die Technik der Tonbrennerei, aber alles, was er am Feuer zuwege brachte, waren getrocknete Erdklumpen, die auseinanderfielen, wenn man einmal unvorsichtig gegenstieß. „Das ist die Zukunft“ hatte er gesagt. „Irgendwann leben wir auch wie die, das ist ganz unvermeidlich.“ „Wieso?“ hatte Runa gefragt.

„Weil sie mehr sind. Sie sind kränklich, aber sie leben, und sie werden immer mehr, Irgendwann brennen sie auch unsere Wälder nieder, um Felder daraus zu machen.“

„Das dürfen die doch nicht!“

„Wer weiß? Vielleicht machen sie es trotzdem! Irgendwann sind sie so viele, daß sie es tun müssen.“

„Dann müssen wir uns wehren!“

„Keine Chance! Wenn wir nicht auch so werden wie sie. Guckmal, diese Gefäße! Sowas können wir nicht herstellen. Vielleicht könnte man das nahcmachen, ja. Wir können auch Weizen anbauen, das ist zwar eine Heidenplackerei, aber wenn es not tut. Aber mit unserer Lebensweise haben wir keine Chance!“

 

Runa wollte die Zukunft kennenlernen, und so wollte sie sich wieder auf den Weg

machen. „“Du gehst aber nicht alleine los“ belehrte Jorek sie.“ „Nein, warum nicht?“

Die würden dich einfangen und als Haussklavin halten, damit du ihnen Kinder gebierst und für sie arbeitest.“

„Aber das will ich doch gar nicht!“

„Danach wirst du wohl nicht gefragt!“ Komm zum nächsten Markt mit, vielleicht triffst du ja jemanden, dem du vertrauen kannst, wenn es hier keiner ist.“

Jorek war traurig. Natürlich liebte er es, bei Runa zu liegen und die Dinge zu tun, die einem Menschen am natürlichsten sind, und insgeheim hoffte er, daß sie schwanger werden würde, damit ihr Plan vereitelt würde, aber irgendwie kam es dazu nicht. Und dann lag Runa überhaupt nicht mehr bei ihm, sondern bei Mousi, und ließ sich Worte in der Sprache der Fremden vorflüstern. Eine Sprache übrigens, von der wir keine Ahnung haben, wie sie gelautet haben könnte. Die älteste Sprache, die wir auf europäischem Boden nachvollziehen können, ist wohl das baskische und mit ihm die sogenannten vaskonischen Sprachen, die vor 4000 Jahren durch die indogermanische Eroberung weitgehend verdrängt wurden. Damals lebten in Europa die mittlerweile vermischten Populationen von Jägern und Ackerbauern, die als Trichterbecherleute

eine frühe originaleuropäische Kultur entwickelten. und die sprachen eine Art vaskonisch, eine Sprache, vor der das heutige Baskische noch abstammt.

 

All dies sind Rätsel, die sich nicht vollständig auflösen lassen, aber die doch eine Geschichte zeigen, die nachvollziehbar erscheint. Die heutigen Europäer sind die nachfahren dreier Einwanderungswellen: Der Jäger und Sammler von vor 10000 Jahren, der Ackerbauern vor 8000 Jahren, und der Urindogermanischen Pferdezüchter ab 4500 v. Christus. wobei die eigentliche Eroberung Mitteleuropas wohl erst ab 2500 v.Christus begann, jedenfalls war dies die Zeit der Bronzefürsten Mitteleuropas, der Aunjetitzer und anderer, die rituelle und religiöse Vorstellungen der vorherigen Megalithkulturen übernommen und weiterentwickelt haben.

Erst mit der Phaeton-Katastrophe um 1200 v.Christus endete dann diese Vorgeschichte, und ab 1200 v.Christus können wir nachvollziehen, wie indogermanische Eroberungen, die jetzt auch Eroberungen im militärischen Sinne waren und Unterwerfungen, zu den großen Reichen der Antike führten: Perser, Griechen und Römer, Kelten und Germanen, die sich langsam ausdifferenzieren. Um 800 v.Christus waren Kelten und Germanen noch nicht unterscheidbar, um 400 nach Christus, nach dem Zusammenbruch Roms, gibt es deutlich kulturelle und sprachliche Unterschiede. Die Jastorf Kultur ab 600v. Christus brachte die erste germanische Lautverschiebung, der Einfluß der Römer im keltischen Gebiet tat ein übriges. Slawen und Balten bilden eigenständige Entwicklungen im Osten, etwa auch zu dieser Zeit oder etwas später ab.

Man kann sich mit diesen Dingen auseinandersetzen, und mit jedem kleinen Detail wird das Bild genauer und facettenreicher. Nicht alles lässt sich beantworten, die Jahreszahlen entsprechen eher Schätzungen als Gewißheiten, aber doch ist es gewiß genug.

Es gibt in der Menschheitsgeschichte drei Rätsel, für die das nicht zutrifft. Wo wir nicht sagen können, so oder so ähnlich muß es gewesen sein, so oder so ähnlich war es. Wir haben Erklärungen, von denen wir wissen, daß sie ungenügend sind, und machen daraus Spekulationen, mit denen wir uns zufriedengeben müssen, weil wir bessere Antworten nicht haben.

Das erste dieser Rätsel ist die Frage nach den Vormenschen: Der Homo Erectus betritt vor knapp anderthalb Millionen Jahren die Bühne des Weltgeschehens, aber wir wissen nichts darüber, wo er hergekommen ist. Die sogenannten Vormenschen wie der Australopithecus mit der berühmten Luca, waren nämlich genau dies nicht: Vormenschen. Menschen und Affen haben einen gemeinsamen Vorfahren, der, je nach Dateninterpretation, vor 7 oder auch 13 Millionen Jahren gelebt haben muß, zu der Zeit, als sich die verschiedenen Primatenpopulationen aufspalteten und verschiedene Zweige bildeten. Dabei verfolgten Menschen und Affen ganz unterschiedliche Strategien: Affen hielten sich vorwiegend an den Lebensraum der Bäume, wo sie sich vorwiegend von Früchten ernähren können. Vorfahren des Menschen haben aber nie auf Bäumen gelebt, ansonsten hätten Menschen auch den großen Zeh als Greifzeh entwickelt. Der Mensch hat keinen Greifzeh, sondern einen Lauffuß. Und der Mensch ist geprägt durch eine ausgesprochene Affinität zum Meer: Sein Stoffwechsel benötigt unglaubliche Mengen an Salz, die ein reines Landtier sich nicht leisten kann. Beschaffenheit von Haut und Haaren beim Menschen, das fehlende Fell, der Tauchreflex, um nur die wichtigsten Merkmale zu nennen, weisen darauf hin, daß der Mensch einen gewichtigen Zeitraum seiner biologischen Evolution im oder am Meer verbracht hat. Und dieser Zeitraum läßt sich bestimmen: Gehen wir von den 13 Millionen Jahren aus, die Genetiker als den Zeitpunkt der Trennung der Primatenpopulationen benennen können: Europa war zu der Zeit ein Kontinent, der sich erst bildete:

Mit Thetys, dem Vorläufer des heutigen Mittelmeeres, und der Parathetys, einem weiten Inselreich, deren Überreste heute Schwarzes Meer und Kaspisches Meer bilden, gab es in Europa und Asien weite flache Salzwassergebiete, in denen Menschenvorfahren gelebt haben könnten: Geschützt vor den großen Freßfeinden aus Land und Wasser, vor denen aus der Luft durch die Mimikry der Haare (Ja, endlich haben wir eine Erklärung, wozu haare gut sind: Zu einer Zeit, als Menschen kleiner und Vögel größer waren, machten es die im Wasser schwimmenden haare den Greifvögeln unmöglich oder schwierig, die Menschen genau zu lokalisieren. Dieses Leben war vor allem deswegen möglich, weil die Wassertemperatur zu dere Zeit angenehm hoch war: Die Erdabkühlung, die durch die Öffnung der Drakestraße und der Entstehung eines zirkumpolaren Kaltwasserstroms zur Abkühlung der Antarktis führte, begann vor ca 30 Millionen Jahren. Vor 13 Millionen Jahren erreichte diese Entwicklung Europa und veränderte es: Aus immergrünen Tropenwäldern wurde zusehends das jahreszeitlich schwankende Wetter von Heute. Die Affen mußten sich aus Europa zurückziehen, und blieben in Afrika und Asien, wo es noch wärmer war. Und die menschen? Davon wissen wir so gut wie nichts. Nur, daß es sie seit anderthalb Millionen Jahren gibt, und das die zahlreichen Funde von Menschenaffen und Affen, ob sie nun zweibeinig oder vierbeinig liefen, keine Vorfahren der Menschen waren, weil sie eben andere Adaptionen hatten.

Aber warum findet man von den Menschenvorfahren keine Zeugnisse?

Vielleicht sehen wir sie nicht, weil wir sie nicht erkennen (unsere heutige Evolutionsgeschichte wurde im 19. Jahrhundert eher spekulativ entwickelt, udn seitdem wird kein Fund, der an dieser Geschichte etwas zu ändern vermöchte, mehr ernst genommen, und es gibt viele Funde, die der offiziellen Version widersprechen, aber sie alle gelten der Wissenschaft als wertlos, bedeutungslos, zufällige Koinzidenzen und ähnliches), oder die Habitate sind heute so verschüttet, daß wir keine Funde haben. Beide Erklärungen sind ungenügend. Die dritte Erklärung ist nicht weniger enttäuschend, davon auszugehen, daß die menschliche Evolution überhaupt nicht auf der Erde stattgefunden habe, sondern die Menschen von den Göttern, resp. Außerirdischen, vor anderthalb Millionen Jahren auf die Erde ausgesetzt wurden, als Teil einer Besiedlungspolitik, die dann auch möglicherweise noch viele weitere Jahrmillionen zurückreicht.

Es läßt sich wirklich nichts verläßliches sagen, außer, daß das das Rätsel ist, und die Antwort aus den Evolutionsbüchern erkenntlich ungenügend und falsch ist. Der Mensch ist kein Affe und nie einer gewesen. Wir haben gemeinsame Vorfahren, that´s it.

 

Die Abstammung von den Göttern ist natürlich ein probates Mittel, um auch die beiden anderen Mysterien der Menschheitsgeschichte zu lösen:

Das erste ist die Entwicklung der Landwirtschaft. Vereinzelt ist davon zu lesen, daß etwa Wildgetreide seit 21000 vor Christus in der Levante benutzt wurde. und wir haben auch eine höchst innovative Menschheit in den nächsten zehntausend Jahren, die es schafft, dem Eiszeitmaximum zu trotzen, und die wieder wärmer werdende Welt mit bis dahin unbekannter Energie erneut zu erobern. Und soweit ist auch alles logisch: Es gibt Haselnusshaine und Wildzäune, es gibt ein langsames Umdenken dahingehend, die Natur bewußt zu formen, um sie ertragreicher zu machen und sich zu nutze. Aber dennoch bleibt es ein Rätsel, woher plötzlich die neuen Pflanzen kommen: Der genießbare Apfel, um 14000 v.Chr. im Kaukasus, dann einige Jahrtausende später, ja nicht nur Emmer und Einkorn und Hirse in unserem Kulturraum, sondern nahezu gleichzeitig auch der Reis in China und der Mais in Amerika. Alles Pflanzen, bei denen wir Schwierigkeiten haben, ihre wilden Vorformen überhaupt zu identifizieren, und keine Erklärung dafür, wie es den Menschen gelingen konnte, diese zu züchten. Denn eines ist klar: Der langsame Prozess der Züchtung durch Selektion wäre dazu geeignet gewesen, die Landwirtschaft über Jahrtausende subsidiär zu betreiben, eine an Bedeutung zunehmende Ergänzung der althergebrachten Lebensweise. So war es aber nicht: Die Landwirtschaft blüht innerhalb von Jahrhunderten auf und verändert revolutionär die Lebensweise der Menschen, die fortan auch gespalten sind: Es gibt landwirtschaftliche Populationen und Jäger/Sammler-Populationen. Es gibt nicht die Leute, die das (nebenbei ja wesentlich gehaltvollere und gesündere) Jagen und Sammeln im wesentlichen beibehalten und langsam anfangen, immer mehr Getreide anzubauen. Gibt es nicht.

Und dafür wiederum muß es eine Erklärung geben. Man kann nicht eine revolutionäre Veränderung durch einen evolutionären Prozess erklären. Es muß ein revolutionärer Prozess sein.

Auch hier ist die einfachste, die sinnfälligste Erklärung die, daß wir es mit einer Intervention durch Götter (Außerirdische) zu tun haben. Alternativ bietet sich nur an, den frühen Menschen eine Hochkultur zuzugestehen, die ihnen erlaubte, quasi wissenschaftlich diese Pflanzen in einem kurzen Zeitraum genetisch so zu verändern, daß sie von jetzt auf gleich die Ernährung der Menschen übernehmen konnten. Der Mythos von Atlantis könnte die letzte Hypothese stützen, insbesondere, wenn wir diesem Atlantis zugestehen, sporadische Kontakte auch in andere Weltteile gehabt haben zu können, seien sie physischer oder metaphysischer Natur.

Das dritte ungelöste Rätsel der Menschheit sind die Pyramiden. Klar ist auch hier, daß die anerkannt wissenschaftlichen Theorien nicht ausreichen. Nach ihnen ist es offensichtlich im Menschen genetisch verankert, wenn seine Gesellschaft eine gewisse Größe erreicht und sich feudal ausdifferenziert, daß er dann Pyramiden baut zu Ehren des Herrschergeschlechts. Und zwar ganz unabhängig von kultureller Tradierung sowohl in China, als auch Ägypten und Amerika. Hinzu kommen Hieroglyphen von Raumfahrern mit Helmen, von Raumschiffen, und nicht zuletzt auf einmal eine mythologische Erzählung von den Göttern, die den Menschen überlegen seien, sie geschaffen hätten, und so weiter und so weiter. Es ist schlicht unglaubwürdig, daß diese Geschichte sich in China, Ägypten und Amerika dreimal unabhängig voneinander aufs neue in so verblüffend ähnlicher Weise abgespielt habe. Viel naheliegender und vernünftiger ist die Erklärung, daß die Mythologien von den Göttern auf Außerirdische zurückgehen, die die Pyramiden haben erbauen lassen und die unsere kulturellen Vorstellungen neu setzten. Es mag sein, daß man die Pyramiden auch als rein menschliches Werk erklären kann, allein, überzeugend ist das nicht. Nicht, wie es heute getan wird, nicht ansatzweise. Die heutige sogenannte Wissenschaft hält an ihren Dogmen auch wider besseren Wissens fest und gibt ihre Hypothesen - die als solche legitim und notwendig wären - als Stand des Wissens und gesicherte Erkenntnis aus, und das ist schlichtweg falsch.

 

Man muß sich insgesamt schon sehr strecken, Zufälle bemühen und unangenehme Fragen auslassen, um die Erzählung einer independenten evolutionären Entwicklung des Menschen aufrechtzuerhalten. Nachvollziehbarer erscheint allemal die wiederholte, wenn auch kaum ständige, Einmischung von Göttern, und zwar, wenn man schonmal dabei ist, von Anfang an, das heißt auch zu Beginn des Lebens auf der Erde (mögliche Interventionen hier: die Ausbringung des Lebens auf die Erde, die Herstellung der kambrischen Explosion, möglicherweise auch die Ausrottung der Dinosaurier durch einen gezielten Meteoreinschlag), und, weil natürlich die Frage ist, wenn das Leben auf der Erde außerirdischen Ursprung hat, woher kommt dann das außerirdische Leben, zu Beginn des Universums überhaupt. Schon der Urknall, oder das, was wir dafür halten, könnte eine gezielte Tat gewesen sein. Das alles erklärt uns nicht unsere zweifelnden, bohrenden Fragen, beruhigt nicht unsere Neugier. Es ist nur eine weitere Hypothese auf dem Weg der Suche nach Wahrheit und Erkenntnis, wie sie dem Menschen irgendwie dann doch eingepflanzt ist. Wichtiger, als korrekte und zweifelsfreie Antworten zu finden ist allemal, die richtigen Fragen zu finden und nie außer acht zu lassen, daß der Wissensstand von heute nichts weiter als der Fehler von morgen ist. jeder, der schon ein paar Sonnenumrundungen auf dem Planeten hinter sich gebracht hat, sollte eigentlich wissen, daß das so ist.

 

 

Als Runa zu den Bandkeramikern gelangte, wurde sie mit einer Nahrung bewirtet, die stank, und die sie nicht vertrug: Käse. Es war eine besondere Gunstbezeugung, ihr Käse anzubieten, allerdings wußte sie diese nicht zu schätzen.

Schon eher wußte sie etwas mit dem Brei aus Einkorn und Emmer anzufangen, der die Grundlage jeder mahlzeit darstellte. Er schmeckte zwar nach gar nichts, und es war eine dröge Arbeit, ihn im Mund zu zerkleinern und herunterzuschlucken, aber immerhin sättigte er - so halbwegs. Sie sehnte sich den ganzen Tag nach einer ordentlichen Portion Fleisch, aber Fleisch gab es nur selten und ausnahmsweise, und dann, wie sie zu ihrer Empörung feststellte, wurde es noch nichtmal gleichmäßig oder gerecht verteilt, sondern das meiste blieb bei der Gruppe um den Häuptling, bei den Männern und Kriegern, Frauen und Kinder kriegten weitaus weniger ab, die Alten garnichts. Was ist das für eine Gesellschaft, in der sich die Stärksten das meiste nehmen, anstatt dafür zu sorgen, daß es die Bedürftigen erhalten? Das ging Runa nicht in den Kopf.

Überhaupt schien sich alles darum zu drehen, dem Häuptlingsclan und seinen Getreuen nach dem Mund zu reden, sich Liebkind zu machen, um zum Dank auch etwas abzubekommen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Maha,              Exfreundin, Clanchefin

Brek, alter vom Clan

Gade junge Frau

Mird Nebenbuhler, Chef

Ard Freund von gade

Beron Botschafter

Lena, wohnt jetzt bei einem anderen Clan

 

 eine Nahrung, die sie Brot nannten, die zwar nicht schmeckte und grausam schwer im Magen lag, die man aber in kleinen Hütten über den ganzen Winter über lagern konnte