Das Paulusstück

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PAULUSSTÜCK

 

Drama in 3 Bildern von Andreas Cotterell

 

 

Personen:           Saul

                              Barnabas

                              Stimme

                               Herr Christ

                               Ananias

                              1. Syrer

                              2. Syrer

                             Claudius

Zwar sind diese acht Personen Teil des Spiels, dennoch ist es zweckmäßig, das Spiel zu dritt aufzuführen. Die Personen neben Saul und Barnabas kommen jeweils nur einmal vor und lassen sich (mit etwas Kreativität bezüglich des zweiten Syrers) durch einen Spieler darstellen. 

 

 

Prolog

 

Stimme:             Verzeiht der Welt, denn sie versteht es nicht besser

Verzeiht den Menschen ihre Hybris

Den klug durchdachten Kurzschluß

 

Nicht könntest du den Lauf der Sonne wenden

Das sie stillsteht am Horizont

Um die Abendröte zu erhalten

Und nicht kannst du den Lauf der Menschen wenden

Die versinken im Meer der Gezeiten

So wie ein letzter Sonnenstrahl

Vergangnen Tages Glanz bezeugt

So sinkst auch du, mein guter Freund

Und Nacht bleibt nur von deinen Werken

 

Glaub nicht, daß Menschen größer sind

Weil sie in Gottes Angesicht geschaut

Geblendet sterben sie vorzeiten

Und lernen nicht, daß Licht zu schauen.

 

Ja, wie der Tag der Nacht sich beuget

So beugt der Mensch sich vor der Zeit

Und wenn ihm etwas was bedeutet

Ist´s Grund genug, ihm zu verzeihen.

 

 

1.            Bild: Freies Feld bei Damaskus.

1.1.. Herr Christ mit Licht, Saul kommt hinzu.

 

Christ: Saul! Saul!

Komm her, Saul!

Ja, komm her, Saul, fürchte dich nicht, Saul!

Ich tu dir ja nichts, Saul, ich will nur reden.

Saul:                Wer bist du?

Christ:             Hab keine Angst, ich bin der, den du verfolgst.

Saul:                Die Christen! Du bist der Christ!

Christ:             Du sprichst meinen Namen aus, als wäre ich nicht der Herr der Welten...

Saul:                Der Herr der Welten ist mein Kaiser, dem zu dienen ich die Ehre habe. Was ist dieses Dings da?

Christ:             Nicht anfassen! Du bist mit Blindheit geschlagen. Aber hör zu!

Saul:                Ich kann nichts mehr sehen!

Christ:             Hör zu! Was diese Dienste angeht, die du dem Kaiser leistest, die bringen mein Projekt hier in ernste Schwierigkeiten. Diese Sache mit dem Kreuz ist sowas wie eine langfristige Investition. Ich rette Seelen für meinen Vater, der handelt damit in einer anderen Dimension, naja, davon verstehst du nichts...

Saul:             Ich verstehe sehr wohl! Diese Seelen, von denen du redest, sind also Gold wert!

Christ:         Allerdings!

Saul:             Wieviel Gold ist denn so eine Seele?

Christ:         Eine Seele ist mehr wert als alle Reichtümer dieser Welt.

Saul:             Und wie kriegt man so eine Seele?

Christ:          Man führt sie zum Licht. Hör zu! Was gibt dir der Kaiser für deine Arbeit?

Saul:              Ich hab schon verstanden! Was soll ich tun?

Christ:           Du gehst zu den Christen hin und machst bei ihnen mit.

Saul:              Ich soll bei denen mitmachen? Ich bin ihr gefürchtetester Feind. Ich hab schon Hunderte auf dem Gewissen!

Christ:            Eben deshalb werden sie froh sein, daß du die Seiten wechselst.

Saul:                Aber was soll ich ihnen denn sagen?

Christ:             Sag ihnen, du bist erleuchtet worden und predigst jetzt die Gutworte.

Saul:                Die was?

Christ:             Sag frohe Botschaft, das klingt gut!

Saul:                 Und was ist die frohe Botschaft?

Christ:             Das findest du schon noch raus. Also denn, ich ziehe weiter!

 

 

1.2. Herr Christ ab.

 

Saul:                         Ich kann nichts sehen! Ich kann nichts sehen!

Hilfe, wo bin ich? Wo bin ich?

Ich war – hier, wo... wo bin ich?

Hilfe!

Ich muß mich setzen.

Was soll ich bloß machen?

Ich warte. Ich warte einfach, bis Barnabas mich sucht und hier findet. Ich warte einfach.

War das hell! Hoffentlich bleibe ich nicht blind!

 

 

1.3. Barnabas auf.

 

Barnabas:             Hast du das gesehen eben? Sowas helles habe ich noch nie gesehen?

Saul:                       Ich hab mit ihm geredet.

Barnabas:             Mit wem hast du geredet? Geht’s dir gut?

Saul:                       Ich kann nichts sehen!

Barnabas:             Na toll! Und wie sollen wir jetzt die Christen niedermetzeln?

Saul:                      Weiß ich auch nicht. Ich bin blind.

Barnabas:             Was gehst du da auch so nah ran?

Saul:                       Er hat mich gerufen.

Barnabas:             Wer?

Saul:                      Der Christ!

Barnabas:             Was soll das, bist du übergeschnappt?

Saul:                      Ich sag doch nur, daß er mit mir geredet hat.

Barnabas:             Und was hat er gesagt, der Christ?

Saul:                       Wir sollen bei den Christen mitmachen.

Barnabas:             Ah, du hast nicht nur die Augen, sondern auch den Verstand verloren. Armer Tropf!

Saul:                      Ach, das wird schon wieder, mach dir mal keine Sorgen. Sorg dich lieber um unser Nachtlager.

Barnabas:             Bei wem sollen wir denn Quartier beziehen? Wir wollten uns an die Christen halten, weißt du noch?

Saul:                       Dann laß uns doch an die Christen halten. Wenn wir denen sagen, daß wir bei ihnen mitmachen, werden sie einen blinden Mann nicht fortschicken.

Barnabas:             Du bist verrückt!

Saul:                       Hast du einen besseren Plan?

Barnabas:             Und was willst du denen sagen?

Saul:                      Laß das ruhig meine Sorge sein. Du geh los, und such uns einen Christ!

 

 

1.4. Barnabas ab.

 

Saul:                        Hab ich geträumt? Bin ich wach?

Ist es Tag, ist es Nacht?

Meine geschwundenen Augen taugen nun nicht mehr

und mir bleibt nur Glauben.

Es ist Nacht, nein, es ist Tag,

was geht´s mich noch an,

mir bleibt nur meine eigene Welt

und ich seh mich erstmals selbst.

Saul – mein Name schon –

hieß so nicht jener unglückselige König,

dem der eigene Sohn den Ruhm stahl? Fortan heiß ich Paul!

Und hat dieser Christ nicht recht,

bietet er mir höheren Lohn als der Kaiser?

Wer bin ich denn? Wie oft müßte ich wohl töten,

um an seiner Seit´ genannt zu werden?

Dagegen wenn es mir gelänge,

aus diesem winzgem Häufchen Christenmenschen

selbst eine Armee mir zu erschaffen,

so könnte ich die ganze Welt gewinnen.

 

Sie kommen!

Mal sehen, was dieses Zauberwort der frohen Botschaft taugt!

 

 

1.5. Barnabas, Ananias auf

 

Barnabas:       Hier ist der Blinde. Saul, das ist Ananias, ach, du siehst ihn ja nicht, also, Ananias, das ist der Blinde, Saul sein Name.

Ananias:         Saul? Der Saul?

Saul:                 Ich heiße Paul. Im Licht sah ich meinen wahren Namen.

Barnabas:         Er hat mit den Augen auch den Verstand verloren.

Ananias:           Ihr seid Saulus und Barnabas, ihr seid gekommen, uns zu töten!

Saul:                  Ich habe das Licht des Herrn Christ geschaut. Er sagte mir, fortan die frohe Botschaft zu predigen

Ananias:             Die frohe Botschaft!

Saul:                    Die frohe Botschaft!

Barnabas:          Die frohe Botschaft?

Ananias:            Aber wir können euch doch unmöglich trauen! Wenn du wieder sehen kannst, werdet ihr uns töten!

Saul:                 Der Herr versprach mir mehr als alle Reichtümer dieser Welt, wenn ich das nicht tu.

Ananias:          Aber wie sollen wir das glauben?

Saul:             Es wird ein Wunder geschehen. In drei Tagen, wenn die Wirkung des Lichts nachgelassen hat, dann werde ich vor aller Welt die Augen auftun und so die Herrlichkeit des Herrn Christ bezeugen!

Ananias:       Und ihr werdet uns nicht töten?

Saul:                 Wir werden euch nicht töten.

 

1.6. Saul, Barnabas ab.

 

Ananias:             Licht – ohne das nichts wäre

Du nicht und ich nicht und nichts

Weil nichts ohne Licht ist

Nur das Nichts was nicht ist.

Licht – das diesen Stein durchdringt und diesen Baum

Das in den Herzen wohnt und in den Sternen

Das alles umsorgt und selbst in der Nacht

Wenn die Schatten am tiefsten

Noch atmet hinter dem Horizont

Licht – ich begrüße dich als meinen treuesten Freund

Als die Hoffnung unter den Menschen

Als Mutter, Vater, Bruder und Sohn

Und als die Wärme der Liebe

Ohne dich bin ich nichts

Und durch dich alles

Und wenn ich einst sterbe kehre ich heim zu dir

Mein ewiges, unvergleichliches, alldurchdringendes Licht.

 

 

1.7. In der Nähe. Barnabas mit Feldwerkzeug, Saul.

 

Barnabas:       Sag doch Saul, sollen wir hier den ganzen Tag rumstehen? Jetzt, wo du wieder

sehen kannst, können wir sie doch töten und uns die Prämie holen.

Saul:              Psst, nicht so laut! Glaubst du nicht an Wunder?

Barnabas:     Komm Saul, sei vernünftig! Ich weiß, was passiert ist.

Saul:              Dann hör auf, davon zu reden. Und nenn mich nicht immer Saul!

Barnabas:      Gut, Saul! Und was sollen wir jetzt tun, Saul?

Saul:               Am besten tun wir auch so, als ob wir arbeiten.

Barnabas:      Arbeiten? Wir sollten sie umlegen!

Saul:                Sei doch ruhig! Wir arbeiten!

Barnabas:             Als hätten wir nichts besseres zu tun! Mit der Prämie könnte ich mein Haus...

Saul:                      ...los, arbeite! Sonst kriegst du nachher nichts vom Essen ab.

Barnabas:             Was? Wer hat dir denn das eingeflüstert? Du bist ja immer noch verrückt!

Saul:                    Hör zu, ich predige die frohe Botschaft und ich sage, wer nicht arbeitet, soll

auch nicht essen. Also arbeite!

Barnabas:             Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ich soll arbeiten? Ich bin freier römischer Bürger!

Saul:                         ...zu Diensten des Kaisers!

Barnabas:            Du befiehlst mir, als Dienst an den Kaiser diese niedrige Arbeit zu versehen?

Wenn du es mir befiehlst, muß ich´s tun, aber was ist, wenn ich fragen darf, mein Vergehen, daß mir diese scharfe Last auferlegt?

Saul:                  Du glaubst die frohe Botschaft nicht!

Barnabas:        Wie? Welchem Herrn soll ich denn nun dienen, dem Kaiser oder dem Christus?

Saul:             Beiden! Der Kaiser dient dem Herrn, also dienst du dem Kaiser und dem Herrn!

Barnabas:             Wir könnten dem Kaiser, der dem Herrn dient, ja auch damit dienen, daß wir seine Provinz von den Christen befreien. So könnten wir auch beiden dienen und bräuchten nicht zu arbeiten.

Saul:               Du sollst nicht rechten!

Barnabas:       Was?

Saul:                Du sollst nicht argumentieren, keine Widerrede führen!

Barnabas:      Was soll denn das?

Saul:                Das ist die frohe Botschaft!

Barnabas:        Du, was das angeht, da habe ich auch schon andere Sachen gehört...

Saul:             Du wagst es, mir zu widersprechen? Das ist meine frohe Botschaft und ich verkündige sie! Also arbeite!

Barnabas:      Oh wehe, wehe!

Hatt ich dem Kaiser bei Tage gedient,

so weil er mir dafür die Nacht ließ.

Doch jener will beides, den Tag und die Nacht,

so bin ich um alles im Leben gebracht.

Saul:            Nun hör auf zu jammern! Vielleicht gibt es ja noch andere Möglichkeiten.

Barnabas:     Und die wären?

Saul:              Wir lassen uns gefangennehmen.

Barnabas: Gefangennehmen lassen? Warum denn das? Wir haben doch nichts verbrochen!

Saul:             Wir dienen dem Herrn Christus, obwohl wir einen Eid auf den Kaiser gegeben haben. Wir müssen uns dafür verantworten.

Barnabas:             Also gut. Einmal angenommen, wir lassen uns gefangennehmen, werden zum

Kaiser gebracht und erklären ihm diese Sache mit der frohen Botschaft, die in

deiner Auslegung so froh nicht ist, was haben wir dann deiner Meinung nach

davon?

Saul:            Wir gehen zum Kaiser!

Barnabas:    Und sonst?

Saul:             Wir werden berühmt, Barnabas, wir werden neben dem Kaiser stehen! Meine frohe Botschaft wird hinaus in die Welt gelangen und meine Anhänger werden die Welt erobern. So steht es geschrieben.

Barnabas:     Wo steht das geschrieben?

Saul:             In der frohen Botschaft, Barnabas, oh, wir müssen unbedingt Briefe schreiben an unsere lieben Christen in der Welt, damit sie wissen, daß wir uns für sie gefangennehmen lassen und die Botschaft predigen. Wenn wir nach Jerusalem zu unserem Freund Claudius kommen, wird er uns sicherlich mit aller ihm zur Verfügung stehenden Gastfreundlichkeit gefangennehmen.

Komm, auf dem Weg werden wir gleich noch einige Christen bekehren.

Barnabas:             Wozu willst du die Christen bekehren, die sind doch schon bekehrt! Wen hältst du hier zum Narren? Mich? Die Christen? Den Kaiser? Am End dich selber gar!

Armer Saul! Die Millionen, die dir zufallen, möchte ich nicht als Bürde haben.

Sieh, da kommen zwei, sieh zu, wie du sie dir einfängst. Ich stell mich stumm derweil.

 

 

1.8. Zwei Syrer treten auf.

 

Saul:             Die Gnade sei mit euch, ihr glücklichen Seelen, die der Herr geruht hat zu mir zu führen.

1. Syrer:       Wer ist dieser komische Kauz?

2. Syrer:      Wir gehen hin und fragen. Achte aber noch auf den anderen, nicht daß der uns am Ende noch das Geld stiehlt.

1. Syrer:        Wer seid ihr, daß ihr so große Reden schwingt?

Saul:             Ich, oh ihr Unwissenden, bin der heilige Apostel Paulus, der dem Herrn Christ begegnet ist und von ihm dazu auserwählt, die frohe Botschaft zu predigen.

2. Syrer:          Komm, laß uns gehen. Das ist ein Schwätzer.

1. Syrer:      Welche frohe Botschaft?

Saul:             Meine frohe Botschaft, die besagt, daß wer mir glaubt, mehr als alle Reichtümer dieser Welt verdienen wird.

2. Syrer:         Nun wird´s interessant

1. Syrer:          Wie soll denn das gehen: Mehr als alle. Wenn ich alle hab, dann kann ich nicht noch mehr haben.

Saul:                  Mehr als alle! Seid ihr dabei?

2. Syrer:             Wir müssen hier weg!

1. Syrer:             ...und du versprichst jedem von uns mehr als alle, das ist mehr als doppelt so viel wie es gibt.

Saul:             Oh, ihr Unwissenden, es gibt noch viel mehr Welten, als ihr euch vorstellen könnt, und von den Reichtümern dieser Welten spreche ich. Und alles was ihr tun müßt, um an diese Reichtümer zu gelangen, ist glauben.

2. Syrer:        Was glauben?

Saul:              Die frohe Botschaft natürlich.

2. Syrer:         Welche frohe Botschaft?

Saul:               Das habe ich doch schon erklärt! Die Reichtümer anderer Welten und so...

2. Syrer:        Ne, danke, mich interessieren die Reichtümer dieser Welt.

Laß uns gehen!

Saul:              Wartet! Seid ihr nicht vielleicht Zollbeamte oder Gendarmen?

1. Syrer:        Und wenn?

Saul:             Dann könntet ihr uns vielleicht festnehmen, wir wollen nämlich nach Jerusalem, zu unserem Freund Claudius.

1. Syrer:             Warte. Die beiden stehen hier hilflos, ohne Obdach, und ihr Verstand scheint sie schon lange verlassen zu haben. Bald wird es Nacht und sie sind Fremde. Laß sie uns eine Nacht beherbergen, vielleicht erzählen sie ja doch noch was gescheites.

2. Syrer:             Dein Herz wird dich noch in den Ruin treiben, aber sei´s drum.

 

1.9. Beide Syrer und Barnabas ab.

 

Saul:             Herr, sie haben unsere Gebete erhört! Zeig dich ihrer Seelen gnädig und nimm sie hinauf zu dir, daß mir als ihrem Sammler ein Teil deiner unermeßlichen Reichtümer zufallen werde. Wie gerne würde ich noch einen Blick auf diese Herrlichkeiten werfen, doch bis derweil, scheints, wird mir am Magen nichts mangeln.

 

Saul ab.

 

 

2.            Bild. Jerusalem. In Claudius Palast.

 

2.1. Claudius, Saul, Barnabas. Gelächter.

 

Claudius:             ...aber nun erklärt mir mal, meine lieben Freunde, warum ich euch festnehmen lassen soll. Welches ist das Verbrechen, dessen ihr von mir angeklagt werden wollt?

Barnabas:      Es ist kein Verbrechen.

Saul:             Nicht im eigentlichen Sinne, wie Mord oder Totschlag, mehr ein Verbrechen prinzipieller Natur, ein Elementarverbrechen sozusagen.

Claudius:       Ich könnte euch vielleicht wegen der Massaker an den Christen einsperren, ihr könntet zugeben, daß sie nicht bewaffnet waren.

Barnabas:    Das waren sie nicht!

Saul:             Nein, das erfüllt den Zweck nicht. Wir wollen als Botschafter der Frohen ins Gefängnis, nicht als deren Mörder.

Claudius:      Ihr könntet Reue zeigen.

Saul + Barnabas: Reue?

Saul:                Wir haben im Auftrag des Kaisers gehandelt!

Claudius:         Ich gab euch diesen Auftrag nur, weil ihr hier standet und um ihn gebettelt habt.

Saul:               Das spielt ja wohl keine Rolle mehr.

Barnabas:       Es ist nur so, daß wir jetzt glauben, und es muß doch irgendein Gesetz geben, daß das verbietet.

Claudius:        Nein, deswegen heißt es ja Religionsfreiheit, zur Zeit gibt es sowas, Pech für euch, vielleicht unterm nächsten Kaiser, haha, vielleicht läßt der sich ja selbst als Gott anbeten.

Saul:             Wenn ich der nächste Kaiser bin, werde ich selbstverständlich dafür sorgen, daß du für deine Dienste mehr als reichlich entschädigt wirst, aber hättest du bitte die Güte, uns festzunehmen?

Claudius:           Haha, ja, aber warum denn?

Barnabas:         Du könntest uns vor den Juden in Schutz nehmen.

Claudius:          Ihr wollt euch doch nicht am Tempel vor Gericht stellen, meine lieben Freunde, dort wird schnell gehenkt!

Saul:                  Nein! Wir haben den Auftrag des Kaisers nicht ausgeführt. Wir sind desertiert!

Claudius:          Weil ihr die Christen nicht umgebracht, sondern bekehrt habt? Das ist doch nicht verboten! Der Kaiser duldet diese religiösen Metzeleien nur, weil er die Entfaltung der Religionen mit ihren Gebräuchen seinen Untertanen nicht verwehren will. Haha, nein, soweit ist es nicht, das wir den einsperren, der nicht mordet.

Barnabas:        So gib uns denn einfach Ketten und einen Brief für den Kaiser. So hält uns jeder für gefangen und wird uns solang gut behandeln, bis wir schließlich dort sind.

Saul:                 Warum sagst du das nicht gleich?

Ist das Verbrechen des Geistes,

sei auch die Gefangenschaft eine des Geistes.

Barnabas:         Das soll ich aber nicht aufschreiben?!

Claudius: Redet der häufiger so?

Barnabas:          Seit er an dieser frohen Botschaft arbeitet...

Claudius:           Hat die nicht dieser Christ geschrieben?

Barnabas:           Eben nicht, der hat nichts geschrieben. Das will Saul jetzt nachholen.

Claudius:            Und wieso nennt er sich Paulus?

Barnabas:           Frag ihn doch selber. Der ist so eitel wie ein Pfau geworden und redet nicht mehr, wenn man ihm nicht zustimmt.

Claudius:            Und du, warum bleibst du da?

Barnabas:           Was soll ich machen? Seinen Grillen quer durch Europa folgen, oder Dienst auf dem Balkan tun? So erleb ich noch was und brauch nicht mal zu morden.

Claudius:           Und geht dir das Gequatsche nicht auf den Geist?

Barnabas:           Ach weißt du, so ist er ja ganz in Ordnung, er hat gelernt, ein guter Gast zu sein, und so machen wir viele interessante Bekanntschaften.

Claudius:           Und die anderen nehmen ihm die Masche ab?

Barnabas:         Kommt ganz drauf an. Also manchmal ist es das pure Mitleid und dann wird´s mir peinlich. Aber er ist ja selber daran interessiert, in einem guten Bett zu schlafen, also gibt er sich Mühe.

Claudius:           Und die Leute hören ihm zu?

Barnabas:            Naja...

Claudius:             Arbeitet ihr?

Barnabas:            Bist du verrückt? Ich bin Römer!

Claudius:             Predigt er auch, daß Römer nicht arbeiten müssen?

Barnabas:          Er sagt, jeder soll arbeiten, was er kann, und das tut er. Er predigt und ich beschütze ihn.

Claudius:           Das ist logisch, sehr einleuchtend. Es ist klar, daß er einen Beschützer braucht.

Barnabas:        Kann ich nicht als seine Wache fahren?

Claudius:          Ja, aber so langsam wird es ein Problem, was ich in den Brief schreibe. So für nichts den Kaiser anrufen, ich will meinen Namen nicht lächerlich machen.

Saul:                   Das laß mal meine Sorge sein. Ich werde das schreiben!

Barnabas:           Du? Du kannst doch gar nicht schreiben!

Claudius:             Verflucht sei der Tag, an dem ich es ihm zeigte!

 

2.2. Ad libido des Saul aus den Paulusbriefen

                         

 

 

3.            Bild. Gestrandet bei Malta.

 

3.1. Saul, Barnabas.

 

Saul:               Hast du den Brief?

Barnabas:      Der ist anscheinend das wichtigste auf der ganzen Welt.

Saul:             In der Tat! Hast du ihn?

Barnabas:     Hast du die Wahl, den Brief zu retten oder dein Leben, dann zögere nicht, dein Leben zu geben.

Saul:              Man muß Prioritäten setzen! Hast du ihn?

Barnabas:      Wen? Den Brief? Ach weißt du, ich mußte den Brief loslassen, um an die rettende Planke zu kommen. Ist das schlimm?

Saul:               Das kann nicht dein Ernst sein! Dann ist die ganze Reise umsonst!

Barnabas:     Beruhige dich, ich hab ihn. Aber ich möchte dich bitten, fortan zu bedenken, daß ich mein Leben für ihn auf´s Spiel gesetzt habe.

Saul:              Was soll denn das heißen?

Barnabas:       Ich erwarte Dankbarkeit!

Saul:                Wenns weiter nichts ist. Dankbar bin ich alle Tage. Dem Brief gehts gut und wir sind am Leben.

Barnabas:        Ich hab nicht gesagt, daß es dem Brief gut geht.

Saul:             Sondern?

Barnabas:    Das ich ihn hab.

Saul:             Wo ist denn da der Unterschied?

                      Übrigens könntest du schonmal Holz sammeln, es scheint kalt zu werden.

Barnabas:    Ich könnte den Brief auch einfach zurück ins Meer schicken.

Saul:             Sei nicht albern! Gib mir den Brief!

Barnabas:   Nein!

Saul:             Nein – das ist Defätismus! Das ist Desertion!

Barnabas:    In diesem Land herrscht Glaubensfreiheit, und ich glaube nicht, daß ich dir den Brief geben werde.

Saul:             Du weißt nicht, ob in diesem Land Glaubensfreiheit herrscht, wer weiß, wo wir sind. Also gib schon her.

Barnabas:   Und wenn schon! Wenn dir an dem Brief soviel liegt, dann geh doch selber Holz sammeln dafür.

Saul:             Du kennst meine Ansicht vom Arbeiten, wer arbeiten soll und was?

Barnabas:    Wem willst du denn hier predigen?

Saul:             Dir, du Ungläubigem, der du mit dem Brief nicht rausrückst!

Barnabas:    Ich habe den Auftrag, den Brief sicher zu verwahren.

Saul:             Du hast den Auftrag, ihn jetzt rauszurücken!

Barnabas:    Mein Herr hatte den Verstand verloren, und da ich annahm, sein Verstand könnte in dem Brief versiegelt worden sein und wiederum nicht wagte, ihn zu öffnen, beschloß ich, seinen Auftrag bei Wort zu nehmen und ihn sicher zu verwahren, bis das der Addressat des Briefes ihn öffnen und über seinen Verstand verfügen möge.

Saul:             Geschwungene Rede, kurzer Sinn. Solang der Brief ankommt, solls mir recht sein.

Barnabas:   Also machst du jetzt Feuer?

Saul:             Ich soll Feuer machen? Soll ich dir was predigen?

Barnabas:     ...und als ich an die Planke faßte und mir der Brief entglitt, dachte ich mir noch, was nützt es dem Brief, mit mir in die Tiefe zu sinken, so überließ ich ihn den Wellen.

Saul:             Du Narr! Deine Leiche hätte man im Wasser treibend gefunden und mit ihr den Brief.

Barnabas:    Machst du jetzt Feuer?

Saul:             Nein.

Barnabas:    Er sagt nein. Das ist Defätismus! Desertion!

Saul:             Ich geh ja schon.

Barnabas:    Er geht! Das ist nicht zu glauben! Es geschehen noch Zeichen und Wunder.

 

Saul:           Au!

Barnabas:    Was ist?

Saul:             Eine Schlange hat mich gebissen!

Barnabas:      Schon müde?

Saul:             Nein, wirklich!

Barnabas:     Zeig mal her! Das war sicherlich nur eine Maus.

Saul:             Ich werd doch eine Maus von einer Schlange unterscheiden können!

Barnabas:     Da wär ich mir nicht sicher.

 

3.2. Herr Christ als Schlange

 

Herr Christ:        Eine Schlange, ich bitte doch darum, eine Schlange.

Saul:                   Der Herr Christ!

Barnabas:            Das ist dein Herr Christ?

Herr Christ:         Darf ich mich vorstellen? Anti Christ mein Name. Ich wär ja im verborgenen geblieben, aber Saul muß ja ausgerechnet aus einem Bau Feuerholz holen, so mag ich ihn, und ich dachte, da ihre mißliche Lage mit Abgeschiedenheit verbunden ist, nutzen wir die Gelegenheit zu einem kleinen Plausch unter sechs Augen. Wein?

Barnabas:      Ich bin dem Wein nicht abgeneigt, nicht nur wegen dem Magen.

Saul:             Aber sie verlautbaren nichts, ja?

Herr Christ:     Nichts läge mir ferner, als die Eindrücke zu zerstreuen, die ihr mit eurem Werk macht!

Saul:              Die Ware ist einwandfrei, ja?

Herr Christ:   Nein wirklich, mein vollstes Lob! Ihre Einfälle – phänomenal, ich könnte es selber nicht besser machen.

Saul:              Red weiter!

Barnabas:             Jetzt durchschau ich die Ränke! Du hast dich dem Teufel verdingt!

Herr Christ:       Bitte, bitte, ich bin Herr Anti Christ.

Barnabas:          Namen, Namen, wozu die Charade? Sag, was du willst, damit wir uns in Frieden trennen können!

Saul:              Er will nichts weiter als die Seelen der Menschen. Wo wir gerade vom Geschäft sprechen, da wollte ich doch fragen, da ich meinen Teil der Verabredung ja zur Zufriedenheit zu erfüllen scheine, wie wann und in welcher Form ich meinen bescheidenen Lohn entgegennehmen darf?

Herr Christ:       Mein lieber Freund, du wirst nicht für himmlische Dienste irdischen Lohn erwarten. Meine Reichtümer sind nicht von dieser Welt.

Barnabas:       Das sieht ihm ähnlich! Er will dich um deinen Lohn bringen!

Herr Christ:      Keineswegs, wirklich! Ewiger Ruhm ist doch kein kleines Angebot. Und für euer leibliches Wohl habe ich, nebenbei bemerkt, immer gut gesorgt, wie ihr eingestehen müßt.

Saul:             Was soll denn ewiger Ruhm sein? Ist das eine Währung?

Herr Christ:     Durchaus, mein lieber Paulus. Unterschätze deine Macht nicht. Dein Wort wird neben dem Jesus Christus gepredigt werden und für die Gläubigen zählt eins wie das andere.

Saul:                  Und was hab ich davon?

Herr Christ:     Du wirst dich für tausende von Jahren im Glanz deines Ruhms sonnen können.

Saul:             Solang leb ich doch gar nicht, das ist Beschiß!

Herr Christ:    Saul, Saul, was erwartest du? Soll ich für dich die Naturgesetze abschaffen? Jeder Mensch kann aus seinem Leben machen, was er will.

 

3.3.                  Herr Christ ab

 

Barnabas:        Da hast du´s. Und wir machen uns vor aller Welt lächerlich.

Saul:                Wir machen uns nicht lächerlich, nein... Wir wandern und predigen, was soll daran schlecht sein? Wir überfallen die Leute nicht, und was man uns gibt, gibt man uns aus freien Stücken. Wir verbinden Menschen und Kulturen miteinander, wir fördern den Fortschritt der Menschheit, glaub mir.

Barnabas:    Und was steht in dem Brief?

Saul:             Welchem Brief?

Barnabas:    Dem Brief an den Kaiser!

Saul:             Ach so, der. Das sind Briefe.

Barnabas:     Ein Brief aus Briefen?

Saul:             Ja, ein Brief an die Römer, einen an unsere Freunde in Korinth...

Barnabas:     Wir haben doch gar keine Freunde in Korinth!

Saul:             ...einen an unsere Freunde in Thessaloniki...

Barnabas:     Wir haben doch gar keine Freunde in Thessaloniki!

Saul:             Und wenn schon! Hauptsache, der Kaiser sieht, daß wir Freunde haben.

Barnabas:   Und was schreibst du dem Kaiser?

Saul:             Dem? Nichts! Der soll nur Bote sein für uns.

Barnabas:    Der Kaiser Bote für uns?

Saul:             Das ist es ja gerade! Auf diese Weise zeigen wir dem Kaiser, was er wert ist.

Barnabas:     Und wir sterben als Märtyrer!

Saul:             Wenn schon. Weißt du, diesen ewigen Ruhm kriegt auch nicht jeder.

Barnabas:       Und was steht in den Briefen?

Saul:            Ach, ich hab mir Mühe gegeben, da stehen lauter gute Ratschläge fürs Leben drin, wie man so durchkommt.

Barnabas:      Als da wären?

Saul:             Tu immer das, was dir befohlen wird, diskutiere nicht, sei still und arbeite.

Barnabas:     Das nennst du gut?

Saul:             Naja, mir ist nichts besseres eingefallen. Weißt du was?

Barnabas:     Was sagte denn dieser Jesus?

Saul:             Der? Weiß nicht, hat mir noch keiner gesagt. Dir?

Barnabas:     Ne...

 

Ende

 

 

 

 

 

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