Die Christuskonferenz

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                     Die Christuskonferenz

 

       Groteske in einem Akt von Andreas Cotterell

 

 

 

        Personen:        Sekretär

                        Musiker

                        Bischof

                        Kaiser

                        General

                        Kaiserin

 

1. Szene:            Sekretär tritt auf die Bühne, bereitet vor

 

Sekretär:           (für sich) Der Kaiser erhöht am Kopfende, Weinbecher, Wasserbecher, Weinkrug, Wasserkrug, Nußschale, Obstschale, Speckstreifen, Kandis, Klingelglöckchen, Serviette. Links neben ihm der General, Weinbecher, Weinkrug, Wasserkrug, Nüsse, Obst, Speck. Rechts der Herr Bischof, Wasser, Wein, gut, gut, Nüsse, Obst.

                            Herrje, irgendwas habe ich vergessen, ich komme noch drauf.

                            Verflixt... ich komme nicht drauf.

 

2. Szene:            Musiker tritt auf

 

Musiker:           Erst hieß es, ich hätte heute Nachmittag frei, nun soll ich mich doch bereithalten, was denn nun?

Sekretär:            Guten Tag erstmal

Musiker:            Guten Tag

Sekretär:           Der Herr Kaiser wünscht deine Anwesenheit, aber nicht dein Spiel.

Musiker:            Wie soll ich denn das verstehen?

Sekretär:            Wie ich es gesagt habe. Du sitzt auf deinem Platz und spielst nicht.

Musiker:           Und wieso soll ich denn da sitzen, wenn ich nicht spielen soll?

Sekretär:           Der Form halber. Es geht hier um einen informellen Nachmittagsumtrunk, und dazu gehört nunmal ein Musiker.

Musiker:            Und warum darf ich nicht spielen?

Sekretär:            Weil es um eine wichtige Besprechung geht, bei der der Kaiser nicht gestört zu werden wünscht.

Musiker:            Bitte, wenn ich störe, dann kann ich auch gehen.

Sekretär:            Eben nicht. Dann würde es ja eine formelle Audienz geben.

Musiker:            Was macht denn das für einen Unterschied, ob der Kaiser bei einem Umtrunk eine Audienz abhält, oder bei einer Audienz einen Umtrunk?

Sekretär:           Ich sag doch, das sind bloß Formalitäten. Nach einer Audienz fertige ich ein formelles Protokoll an, mit dem alle relevanten Stellen über die Wünsche des Kaisers unterrichtet werden. Nach einem Umtrunk hingegen schreibe ich ein informelles Protokoll, mit dem die relevanten Stellen über die Wünsche des Kaisers unterrichtet werden.

Musiker:            Äh, wo war jetzt der Unterschied?

Sekretär:            Mit dir: informell, ohne dich: formell. Klar?

Musiker:            Und dafür geht mein freier Nachmittag flöten. Kann ich wenigstens schnell einen Schluck Wein stibitzen?

Sekretär:            Ich habe nichts gesehen. Nimm aus dem da (zeigt auf den Krug des Bischofs).

                      Musiker setzt an und trinkt aus

                      Doch nicht austrinken, halt, stop, was soll ich denn sagen!

Musiker:            Misch ihm doch was aus den anderen Krügen mit Wasser, er wird es nicht wagen, sich zu beschweren.

Sekretär:            Ja, aber... (kippt Getränke umher: Wein vom General in den Bischofskrug und Wasser in beide Krüge.)

Musiker:           Und nun erklär mir nochmal den Unterschied zwischen einer umtrinkenden Audienz  und einem au-di-en-zierendem Umtrunk.

Sekretär:            Der Kaiser erläßt Anordnungen, klar? Und nicht alle davon sind praktibel, auch klar,  nicht? Nun kann man aber nicht den Kaiser dafür verantwortlich machen, wenn er sich mal irrt.

Musiker:            Wieso denn nicht?

Sekretär:            Wegen der Staatsräson, ist doch logisch. Wen macht man also stattdessen dafür                                  verantwortlich?           

Musiker:            Vielleicht niemanden?

Sekretär:            Falsch! Wenn etwas schief läuft, dann muß einer den Kopf dafür hinhalten. Bei einer  Audienz, also bei einer höchstoffiziellen Verlautbarung des Kaisers, ist das natürlich der, der den Mißstand entdeckt und sich beschwert, denn einer Beschwerde  stattzugeben hieße ja zuzugeben, daß sich der Kaiser geirrt hat.

Musiker:           Dann wundert es mich, daß überhaupt jemand Beschwerde führt.

Sekretär:           Es gibt ja auch die nichtoffiziellen Anordnungen des Kaisers. Wenn eine solche sich anfeindbar herausstellt, ist nicht der Beschwerdeführer zu exekutieren, sondern  ein Verantwortlicher der ausführenden Behörde.

Musiker:            Das macht ja den Staatsdienst zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit!

Sekretär:            Nun ja, man ist auch dazu übergegangen, die verantwortungsvollen Posten mit Sklaven zu besetzen.

                            Setz dich, da kommt jemand.

 

           3. Szene                       Bischof kommt herein

 

Bischof:           Nanu, noch niemand da?

Sekretär (zum Musiker):            Nun spiel schon was!

Musiker:            Ich denk, ich soll nicht spielen

Sekretär:            Für den Bischof, der Kaiser ist doch noch nicht da.

 

                            Musik

                             

4. Szene           Auftritt Kaiser und General

 

Kaiser:            Ah, der Herr Bischof, dessen Zeichen uns zum Sieg in der Schlacht verholfen hat.  Seien sie gegrüßt, mein treuer Beistand, darf ich ihnen den Herrn General vorstellen, einer der effektivsten Schlächter unserer Zeit, sagen sie, Herr General, unter dem Kreuz ließen sich doch die Teutonen hervorragend töten.

 

General:            Mein Kaiser, bei allem Respekt, ich verdanke meinem Schwert mehr als der Fahne. Das Schwert ist es, daß sich in die feindlichen Leiber bohrt.

Kaiser:           Aber die Fahne ist es, die den Sieg davonträgt, und dieser war glorios. Kommt, wir sollten darauf anstoßen.

General:            Nur zu gerne. Auf das Schwert!

Kaiser:            Auf die Fahne!

Bischof:            Auf Jesus Christus!

General:            Auf wen?

Bischof:            Auf Jesus Christus, der für uns am Kreuz gestorben ist.

General:            Ein guter Soldat, der für sein Vaterland fällt.

Bischof:           Nein, Jesus war kein Soldat.

General:            Wieso ist er dann gefallen?

Bischof:            Er ist nicht gefallen, er wurde ans Kreuz geschlagen.

General:            Dann war er ein Verbrecher.

Bischof:            Nein, um Himmels willen, er war ein frommer Prediger, der durchs Land zog und Menschen heilte.

Kaiser:           Er starb einen Märtyrertod und wird nun angebetet von den Leuten, die sich Christen nennen. Meine Frau ist auch Christin, deshalb weiß ich ein wenig Bescheid. Nun, sie flehte mich an, dem Kreuz doch eine Chance zu geben, und ich muß sagen, ich bin sehr zufrieden. Trinken wir auf Jesus Christus.

                      (Sie stoßen an)

General:            Bäh! Der Wein ist mit Wasser gepanscht!

Kaiser:           Also meiner ist ausgezeichnet.

Sekretär:           Soll ich einen neuen bringen?

Kaiser:            Für meine Gäste nur das Beste. Und für den Herrn Bischof ein Stück Fleisch, er guckt so gierig.

 

 

5. Szene           Sekretär ab

 

General:           Der Kaiser spricht nicht, wenn sein Sekretär nicht zugegen ist, weil seine Worte dann  nicht dokumentiert würden und verloren gingen. Was für uns Sterbliche Schicksal ist  darf ein Kaiser sich nicht erlauben, ich bitte sie daher, werter Bischof, klären sie uns,  oder vielmehr mich, doch in der Zwischenzeit ein wenig über dieses Christentum auf. Wie heißen eure Götter, wie betet ihr um Reichtum?

Bischof:           Wir beten nicht um Reichtum, das ist irdischer Tand, der den Weg zur Seligkeit nur erschwert.

General:           Ah, verstehe, verstehe. Wer an irdischen Gütern hängt, tut sich schwer, in der Schlacht sein Leben fürs Vaterland zu lassen.

Bischof:           Ein Christ zieht nicht in die Schlacht, nicht weil er fürchtet, getötet zu werden, sondern weil er fürchtet zu töten.

General:            Das ist in der Tat sehr unpraktisch. Wie wollt ihr denn gegen eure Feinde bestehen?

Bischof:            Wir wollen unsere Feinde lieben.

General:            Herr Kaiser, das geht nicht, dieser Mann redet wirr. Damit läßt sich kein Staat  machen.

                            He Musiker, spiel uns solang das Lied vom Wein.

 

Musiker:            (singt)           Wein, Weib, Gesang

                                          ein ganzes Leben lang

                                          davor ist mir nicht bang

                                          ich hab halt so nen Hang

                                          zu Wein, Weib, Gesang

                                          la la la, lalalala

                                           

                                          Die Götter sein gelobt

                                          gefüllt ist unser Trog

                                          gefüllt ist unser Krug

                                          Alles andere ist Betrug

                                          Wein, Weib, Gesang...

 

 

6. Szene           Sekretär auf

 

Kaiser:            Schluß! Aufhören! Elendes Geheule.

                            Herr General, ich verstehe die Skepsis, die ihr bezüglich der Ideen des Herrn Bischofs habt, meine ist nicht geringer, aber nicht nur meine Frau, das halbe Kaiserreich hängt mittlerweile diesen verquasten Idealen an, also werden wir ein                  Arrangement mit dem Herrn Bischof treffen. Das Christentum bietet durchaus einige staatstragende Ansätze, und die müssen wir uns zu nutze machen.

General:            Aber Herr Kaiser, diese Christen treten keiner Armee bei, das ist alles andere als staatstragend.

Kaiser:            Wer sagt denn, daß sie keiner Armee beitreten? Ihre Priester. Die müssen nur ihre Auslegung ein wenig ändern, schon haben wir eine ganze Armee von Lemmingen, für die der Weg zum Paradies übers Schlachtfeld führt, nicht wahr, Herr Bischof?

Bischof:            Das bezweifel ich, die Überlieferungen...

Kaiser:            Schweig, die Frage war rein rhetorisch.

                            Also: Christus sagt, man soll seine Feinde lieben. Was ist denn ein Liebesbeweis?   Sie zum wahren Glauben hinzuführen. Da werdet ihr mir doch zustimmen, oder?

                            (Bischof nickt gezwungen)

                      Gut. Und wie führt man jemanden dem wahren Glauben zu? Herr General, ich  glaube, diese Frage können auch sie als Ungläubiger beantworten.

General:            Durch das Schwert natürlich. Das war schon immer das überzeugendste Argument.

Kaiser:            Also Herr Bischof, wir können ja ihren Jesus fragen, ob er etwas gegen diese Auslegung einzuwenden hat. Hat er?

Bischof:            Ich nehme an, die Frage ist rhetorischer Natur.

Kaiser:            Selbstverständlich ist sie das. Ihr Glaube ist ein hervorragendes Mittel, Menschen von der Notwendigkeit ihres Tuns zu überzeugen, es kommt jetzt nur darauf an, dieses Tun in die rechten Bahnen zu lenken.

Bischof:            Unser Herr Jesus Christus hat schon viele Menschen auf den Weg der Rechtschaffenheit und Barmherzigkeit geführt. Sicherlich würde es auch dem Kaiser gut anstehen, seinen Worten Folge zu leisten.

General:           Mein Kaiser, lassen sie mich den Kopf dieses aufgeblasenen Herrn zum Trinkgefäß umfunktionieren. Mein Schwert dürstet nach ihm.

Kaiser:           Meine Herren, mäßigen sie sich. Dem Bischof wird kein Haar gekrümmt und ich werde natürlich niemanden Folge leisten, ich bin der Kaiser.

                            Sekretär, fassen Sie bitte bis hierhin zusammen!

Sekretär:           Der Bischof von Rom befiehlt seinen Glaubensanhängern, sich zum Zwecke des Kampfes gegen die Ungläubigen dem römischen Heer anzuschließen.

Bischof:            Das habe ich überhaupt nicht gesagt!

General:           Sicher haben sie das gesagt, sie haben es doch gerade gehört.

Bischof:           Das ist eine Unverschämtheit! Ich gehe auf der Stelle!

General:           (zieht sein Schwert) Sie gehen nirgends hin.

Kaiser:           (klingelt) So beruhigen sie sich doch. Ich bin sicher, wir werden eine für alle befriedigende Lösung finden. Bischof, setzen sie sich.

Bischof:           Kann ich denn wenigstens auch unverpanschten Wein haben?

Kaiser:           Sekretär!

 

 

7. Szene            Sekretär ab

 

General:           Du mieser kleiner Wurm denkst wohl, du könntest den Kaiser herausfordern mit deiner Frechheit.

Bischof:            Und du feiger Speichellecker bist dir seiner Gnade sehr gewiß, als hinge dein Leben nicht am seidenen Faden glücklicher Erfolge.

General:            Mein Glück habe ich mir mit meinem Schwert redlich verdient.

Bischof:            Dein Schwert verdient dir die ewigen Höllenqualen. Tue Buße und bekenne dich zu Jesus, sonst wird dich bald der Kaiser selbst in die Verdammnis schicken.

General:           Genauso wie dich, wenn du seine Ideen nicht etwas unterwürfiger aufnimmst.

Kaiser:            (klingelt)

General:           Lassen sie uns lieber etwas Musik hören.

                            Musiker, etwas leichtes, bitte.

 

Musiker:           (singt) Die Augen meiner Liebsten sind wie Sterne in der Nacht

                                          Wenn alle Leute schlafen dann ist sie noch für mich wach

                                          Ich schleich mich durch die Straßen nur um nah bei ihr zu sein

                                          und wenn ihr Mann zur Ruh ist ja dann läßt sie mich herein

 

                                          Meine Liebste hat ein Zimmer das ist praktisch gleich parterre

                                          und wenn ich durchs Fenster steige gibt sie mich nicht wieder her

                                          Ihrem Manne wachsen Hörner so groß wie mein bestes Stück

                                          doch das ist mir egal ich kehre stets zu ihr zurück

 

                                          Eines Tages oder Abends jedenfalls im Morgengraun

                                          kam ihr Mann dann zu uns rein und wollte mich tüchtig verhauen

                                          doch meine Liebste sagte zärtlich: komm doch rein und mache mit

                                          ich leg mich in die Mitte und dann machen wirs zu dritt

 

Bischof:           Das ist ekelhaft! Barbarei! Ich gehe auf der Stelle und sofort!

General:            Du gehst nirgendwo hin.

 

           8. Szene           Sekretär auf

                                           

Kaiser:           Herr Bischof, sie müssen nicht die Vergnügungen des Volkes auf die Goldwaage legen. Wir sind hier um einige politische Vereinbarungen zu treffen. Ihr Glaube ist sicherlich eine schöne Sache, aber an einigen Stellen ist er doch ein wenig zu    modifizieren.

Bischof:            Modifizieren? Sie meinen wohl: ins Gegenteil zu verkehren!

Kaiser:            Keineswegs. Einige Korrekturen, wie sie im Geschäftsverkehr üblich sind.

Bischof:            Wenn der Wein nicht so gut wäre, würde ich lieber den Märtyrertod sterben als diese Blasphemien weiter anzuhören. Was für Korrekturen?

Kaiser:            Es kann einfach nicht sein, daß sich überall christliche Gemeinden aus eigener Initiative selber bilden und dann glauben, was sie für richtig halten. Die Christen brauchen einen zentralen Kanon festgelegter Schriften, die den verbindlichen Rahmen jeder christlichen Gemeinde festlegen. Und nicht nur die Schriften müssen feststehen, auch ihre Interpretation, und dafür muß es ein Gremium geben, daß strittige Fragen in der ein oder anderen Weise aber für alle verbindlich entscheiden kann.

Bischof:            Was soll denn das für ein Gremium sein?

Kaiser:            Ein Treffen aller Bischöfe, ein Konzil, genau, ein Konzil, auf dem alle Bischöfe der großen Gemeinden zusammenkommen und beschließen, was ich für richtig halte.

Bischof:           Und wenn sie etwas anderes beschließen?

Kaiser:           Darum wird sich mein General schon kümmern.

General:           Genau. Mein Schwert dürstet nach dem Blut der Ketzer.

Kaiser:            Sekretär, fassen sie zusammen.

Sekretär:           Der Bischof von Rom lädt seine Amtsbrüder in den Reichsstädten zu einer  Konferenz zum Zwecke der Kanonisierung der christlichen Glaubensangelegenheiten.

Kaiser:            Bravo, besser hätte ich ihm das nicht in den Mund legen können.

Bischof:            Aber ich habe nichts dergleichen gesagt!

General:            Es ist für dich nicht nötig zu sprechen, wenn der Kaiser das für dich tut.

Bischof:            Aber so verstehen sie mich doch! Der christliche Glaube lebt von seiner Vielfalt. Die Werke Jesus Christus auf eine Bedeutung festzulegen hieße, anderen Lesarten den rechten Glauben abzusprechen, dabei lädt Jesus jeden von uns ein, sein Königreich in seinem eigenen Herzen zu entdecken. Wie soll das noch möglich sein, wenn es auf einmal feste Dogmata gibt?

General:            Herr Kaiser, so sehen sie doch ein, daß sich damit kein Staat machen läßt! Wenn jeder Mensch auf sein eigenes Herz hört, dann haben wir bald weder Soldaten noch Untertanen. Das geht nicht!

Kaiser:            Ach, das ist einfach eine Frage der rechten Auslegung. Die Menschen kennen die Stimme ihres Herzens nunmal nicht, und deswegen gibt es die Priester, die ihnen dabei helfen, ihre wahren Wünsche zu erkennen.

Bischof:            Jesus hat sein Leben gelassen, um solchen Priestern das Handwerk zu legen.

General:            Tja, das war offensichtlich nicht sehr effektiv.

Bischof:           Oh doch, die Zahl seiner Gläubigen wächst von Tag zu Tag. Es ist nur eine Frage der Zeit, daß der christliche Gedanke sich bis in den letzten Winkel der Welt hin ausbreitet.

Kaiser:            Dafür werden meine Armeen sorgen, in der Tat.

Bischof:           Nein, unser Glaube fußt auf dem Wort, nicht auf dem Schwert!

General:           Das klingt nicht sehr überzeugend.

Kaiser:            Sicherlich fußt der Glaube auf dem Wort, aber das heißt doch nicht, daß sich das Wort nicht durch das Schwert verbreiten ließe.

Bischof:           Aber das wäre ganz und gar nicht christlich.

Kaiser:           Mein lieber Bischof, ich bin hier der Kaiser, und was christlich ist und was nicht, bestimme immer noch ich.

Bischof:            Aber sie sind doch noch nichtmal Christ!

Kaiser:            Wenn ich noch ein „aber“ höre, dann können sie die Diskussion mit dem Schwert meines geschätzten Generals fortsetzen.

Bischof:           A...ch, das ist überzeugend, ja. Kann ich noch etwas Wein haben?

General:           Also eins muß man ihm lassen: Er verträgt einen ordentlichen Stiefel.

Kaiser:            Nehmen sie von mir, dann müssen wir den Musiker nicht ertragen.

Bischof:           Ich müßte dann auch mal Pipi machen.

General:           Ach so. Wenns unten gleich wieder rausläuft...

Kaiser:           Nun gehen sie schon, bevor sie noch zu stinken anfangen.

 

              9. Szene           Bischof ab

 

Kaiser:           Herr Sekretär, sehe ich meine Frau heute eigentlich noch, oder ist sie mit ihren Betschwestern fromme Werke tun?

Sekretär:           Sie haben heute frei, Sir.

Kaiser:            Dann brauche ich mir ja keine Zurückhaltung auferlegen. (nimmt sich Wein).

                      Verstehen sie, Herr General, meine Frau sieht es nicht gerne, wenn ich trinke,  deshalb übe ich mich oft in Mäßigung.

General:            Was heißt denn das, sie tut fromme Werke?

Kaiser:            Hm. Das habe ich sie noch gar nicht gefragt. Sekretär, wissen sie das?

Sekretär:           Das ist Mildtätigkeit.

General:           Ja, aber was heißt denn das, was macht sie denn?

Sekretär:           Nun, sie verteilt Almosen an die Armen und kümmert sich um kranke Menschen, sowas halt.
General:           Und warum macht sie das?

Kaiser:            Das ist ihr Glaube.

General:           Merkwürdige Menschen, diese Christen.

Sekretär:            Entschuldigen sie, wenn ich mich einmische, aber diese Merkwürdigkeiten haben höchst angenehme Nebeneffekte. Denken sie daran, wie überfüllt früher die Straßen mit all den Bettlern waren, um die sich die Christen jetzt kümmern. Die Kriminalität ist zurückgegangen, man traut sich wieder unter Menschen, die Wirtschaft boomt,  die Steuereinnahmen steigen.

General:            Alles wegen der Christen?

Sekretär:           Deswegen ist der Kaiser ja so erpicht darauf, sie für den Staat zu gewinnen.

Kaiser:           Ne, ihre guten Werke machen sie ja sowieso. Ich will nur meiner Frau einen Gefallen tun.

 

 

           10. Szene            Bischof auf

 

Kaiser:            Bischof, trinken sie mit uns! Auf die Frauen!

Bischof:            Wenns denn sein muß, solang der Wein gut ist, solls mir recht sein.

General:           Auf die Christen!

Bischof:            (zum Kaiser) Was ist denn mit dem los?

Kaiser:           Mein Sekretär hat ihm gerade erklärt, daß der Preissturz in den Bordellen auf das barmherzige Wirken der Christen zurückzuführen ist.

Bischof:            Ach so?

General:            Der Zweck heiligt die Mittel. Wenn das Almosengeben dem Nachtleben zugute kommt, dann trete ich auch eurem Verein bei.

Kaiser:            Herr General, ob sie wollen oder nicht, ist das Christentum erst Staatsreligion denke ich nicht, daß Rom noch andere Kulte dulden kann. Alle haben Christen zu werden.

General:            Und was wird dann aus dem Bacchustempel?

Sekretär:           Und aus dem heiligen Venushügel?

Kaiser:            Rom wird sich von diesen barbarischen Auswüchsen befreien.

Bischof:           Ihr Eifer ist löblich, Herr Kaiser, aber aus der Sicht des Christentums ist es nicht nötig anderen Glaubensgemeinschaften das Leben zu erschweren. Es gibt viele Wege, die zum Herrn führen.

Kaiser:            Das ist in der Tat unpraktisch, da werden wir noch eine andere Auslegung finden müssen.

General:           Mein Schwert sieht nicht recht ein, warum es sich durch die Leiber der Ungläubigen bohren soll, wenn die anschließende Belohnung einer ausgiebigen Hurerei wegfällt.

Sekretär:            Herr Kaiser, die Straßen durch Barmherzigkeit von dem Gesindel zu befreien ist das eine, die Bordelle zu verbieten eine ganz andere. Woher sollen denn unsere Steuereinnahmen kommen, wenn nicht durch die Tempel?

Kaiser:           Dann werden wir es eben den Bauern abpressen, seien sie doch nicht so kleinlich.

General:            Und wie soll ich mein Schwert befriedigen?

Bischof:           Der Apostel Paulus empfiehlt denen, die unter ihrer Wollust leiden, sich eine Frau zu nehmen.

General:           Eine Frau? Ich bin doch nicht wahnsinnig! Sehen sie sich unseren Kaiser an, wie der unter der Fuchtel steht. Ne, nicht mit mir!

Kaiser:            (klingelt) Meine Herren, so beruhigen sie sich doch. Bloß weil wir Wasser predigen, heißt das noch lange nicht, daß wir auch Wasser trinken müssen. (bemerkt, daß sein Krug leer ist) Sekretär, bringen sie uns doch bitte noch Wein.

Bischof:            Oh nein, nicht schon wieder ein Lied!

Kaiser:            Sie können ja auch eine Predigt zu unserer Ergötzung halten.

Bischof:           Zu unserer Erbauung wollten sie sagen.

Kaiser:            Nein, das wollte ich nicht.

General:           Können wir nicht lieber ein Lied hören?

Kaiser:            Nein, können wir nicht! Sekretär, gehen sie!

 

 

              11. Szene            Sekretär ab

 

                      Stille

 

General:           Nun Herr Bischof, der Kaiser empfahl ihnen, eine Predigt zu halten.

Bischof:           Eine Predigt, die der Ergötzung dient, halte ich nicht.

 

                            Stille

 

General:           Dann ein Lied, Musiker, tun sie doch was!

Musiker:           Ich kann dem Wunsch des Kaisers nicht zuwiderhandeln.

 

                            Stille

 

General:           Kaiser, ich flehe sie an, geben sie dem Musiker ein Zeichen, diese Stille ist unerträglich.

Bischof:            Sie könnten ja beten in der Zeit.

General:           Meinen sie, das hilft?

Bischof:            Sicher, beten hilft immer.

General:           (murmelt) Oh großer Mars, gib mir Kraft, meine Feinde zu besiegen, oh großer Bacchus, lasse mich nicht dürsten und liebste Venus, gib mir ein Weib nach meinem Geschmack. Großer Mammon, fülle meine Tasche mit wohltönendem Geklingel und du, edle Isis, lehre mich die Kunst des langen Lebens, daß ich lange die Lustbarkeiten der Welt genießen kann.

 

 

              12. Szene           Sekretär auf

 

Kaiser:           Wo waren sie denn, ich bin am verdursten!

Sekretär:            Oh, ich habe nicht getrödelt, ein Faß war leer, so daß ich das nächste erst anstechen mußte.

Kaiser:            Gut gut, geben sie schon her.

General:            Mir auch!

Bischof:            Meine Herren, ich denke ich sollte sie darüber aufklären, daß der christliche Glaube, dem sie ein so fragwürdig motiviertes Interesse entgegenbringen, weder mit Ergötzungen noch mit Lustbarkeiten dient. Es geht vielmehr um die Überwindung des Leidens, mithin um die Entsagung materieller Ansprüche. Nicht, daß man nicht auch mal an einem weltlichen Genuß sich erfreuen sollte, aber sein Glück daran zu hängen heißt, sich dem ewigen Kreislauf von Begehren und Leiden hinzugeben. Wir sind Christen, weil wir wissen, daß diese Welt nur eine Illusion ist, die dem Menschen Gelegenheit gibt zu lernen und unser größter Lehrmeister war Jesus Christus, der gesagt hat:

Kaiser:           Heben sie sich ihren Sermon fürs Volk auf und trinken sie lieber einen mit uns. Ihr Jesus mag ein kluger Mann sein, aber ich bin der Kaiser dieser Welt und an einer Überwindung derselben nicht interessiert.

General:           Genau, Herr Kaiser, lassen sie uns das Gelage bei einigen Huren fortsetzen. Dem Herrn Bischof würde das auch sehr gut tun.

Kaiser:           Ich habe meiner Frau versprochen, von derlei Geschäftspraktiken Abstand zu nehmen. Wissen sie, diese Christen haben etwas, daß sie Moralvorstellung nennen, und meine Frau hängt sehr daran. Ich will sie nicht enttäuschen.

Bischof:            (für sich) Dieser Kaiser offenbart doch einige lobenswerte Ansätze.

General:           Was kann ihr das denn ausmachen, eine kleine Hurerei unter Freunden, mehr nicht!

Kaiser:            Freunde, ich denke wir sollten mal ein wenig Luft schnappen und bei einem Spaziergang das Gehörte verarbeiten.

General:           Spaziergang, Spaziergang. Geil bin ich, ich will ficken!

Bischof:           Herr General, könnten sie bitte ihre Ausdrucksweise etwas mäßigen.

General:           Ficken, ficken, arschlecken, ficken, spazierengehen, so eine Scheiße. Als die Kaiser sich selbst als Götter haben anbeten lassen, wäre das nicht passiert.

Kaiser:            Nun beruhigen sie sich. Wir gehen.

General:           Jaja, wir gehen.

 

 

              13. Szene           Kaiser, Bischof, General ab

 

Musiker:           Daß der General sich erlauben kann, so in Gegenwart des Kaisers zu sprechen...

Sekretär:            Es ist der General. Wollte der Kaiser ihn absetzen, würde er sein Leben verwirken.

Musiker:            Der Kaiser? Ist er nicht der oberste von allen?

Sekretär:           Sicherlich, aber er hat auch Brüder, Schwestern, Söhne, von den Neffen ganz zu schweigen, und die wären auch alle gerne an seiner Stelle. Ein Kaiser muß sich vorsehen.

Musiker:            Der General kann also eher den Kaiser wechseln, als der Kaiser den General?

Sekretär:           Ja, natürlich.

Musiker:           Wenn der General soviel Macht hat, muß sich dann nicht er auch vor seinen potentiellen Nachfolgern in Acht nehmen?

Sekretär:            Nein, der General ist durch die Gerichtsbarkeit des Kaisers geschützt. Aber der Mörder des Kaisers ist geschützt dadurch, daß der Kaiser, der sein Richter wäre, gestorben ist.

Musiker:           Und warum begleitest du den Kaiser jetzt nicht? Mußt du nicht dokumentieren, was er sagt?

Sekretär:            Nein, er redet nicht beim Spaziergang. Er nennt das „Gehen in Stille“ und sagt, daß er nirgends sonst so klar denken kann.

Musiker:            Und da macht der General mit?

Sekretär:            Er muß, das ist ein Befehl vom Kaiser.

Musiker:           Ich denk, der Kaiser ist vom General abhängig.

Sekretär:            Ist er auch. Trotzdem muß der General ihm gehorchen und nicht umgekehrt.

Musiker:           Versteh ich nicht.

Sekretär:           Das hat auch niemand von dir verlangt. So, und jetzt mach deine Lauscherchen zu, wir kriegen hohen Besuch.

 

              14. Szene           Kaiserin auf

 

Kaiserin:            Ist er weg?

Sekretär:            Ja sicher, sonst hätte ich doch nicht das Zeichen gegeben.

Kaiserin:            Oh, mein Geliebter!

Sekretär:            Sachte, hier ist noch jemand.

Musiker:            Ich bin garnicht da, laßt euch nicht stören.

Kaiserin:            Spiel uns doch eine sanfte Melodei. Ich bin in so romantischer Stimmung!

 

                            Musik

 

Sekretär:           Oh meine Kaiserin! Macht mich nicht schwach!

Kaiserin:            Ich hab dich schon so lange nicht mehr gespürt!

Sekretär:            Doch, heute Morgen, als der Kaiser auf Klo war.

Kaiserin:            Das zählt nicht, das waren keine fünf Minuten.

Sekretär:            Dafür haben wir heute den ganzen Abend.

Kaiserin:            Das ist ja wunderbar. Wie hast du denn das geschafft?

Sekretär:           Du bist mit frommen Werken entschuldigt. Und ich bin frei, sobald er vom schweren Wein ins Koma fällt.

Kaiserin:            Da hast du doch wieder dein Mittelchen eingesetzt?

Sekretär:            Das ist heute nicht nötig. Der Bischof legt ein ordentliches Tempo vor.

Kaiserin:            Oh mein Hengst!

Sekretär:            Oh meine Stute!

                            Musiker, guck in die andere Richtung und singe laut, hörst du, singe laut!

Musiker:            Ein lautes, romantisches Lied?

Kaiserin:            Ja, mach schon!

Musiker:            Laut und romantisch?

Sekretär:            Wenn er nicht gleich anfängt, vergeß ich mich.

 

Musiker:            (singt)           Oh meine schön duftende Herbstrose

                                          ich stürz mich auf dich mit Getose

                                          oh mein zartes Blütenblatt

                                          i-i-i-ich mach dich nackt

 

                                          Die ganze Welt tut sich begatten

                                          Alle Männer haben Latten

                                          Alle Frauen haben Sümpfe

                                          feuchte tiefe geile Tümpel

 

Kaiserin:           Ne, so kann ich nicht. Diese Musik bringt mich ganz aus dem Konzept.

Sekretär:            Komm, nun zier dich nicht, wir haben nicht viel Zeit.

Kaiserin:           Was ist los?

Sekretär:            Nichts, nichts.

Musiker:            Ich kann auch was anderes spielen.

Sekretär:            Ja, irgendwas anderes. Aber laut muß es sein.

Kaiserin:            Ich wäre mehr für was zartes, leichtes.

Sekretär:            Dann hört man uns im Küchentrakt.

Kaiserin:            Sollen die Leute doch zuhören. Klatschen tun sie eh.

Sekretär:            Das kann mich meinen Kopf kosten.

Kaiserin:            Ach was, dem Kaiser erzählt schon niemand was. Für den sind das doch alles fromme Werke.

Sekretär:            Ich wünschte, du würdest wieder so ein frommes Werk wie neulich tun, als du... du weißt schon.

Kaiserin:            Nein, nicht in der Gegenwart des Musikers.

Musiker:            Ich bin garnicht da, laßt euch nicht stören.

Sekretär:            Der ist garnicht da, nun mach schon, du weißt, was ich meine.

Kaiserin:            Nicht, daß kitzelt! Ja, hier, genau, gut, ja, das hab ich gerne.

Sekretär:            Musiker, spiel endlich was.

Musiker:            Romantisch oder laut?

Sekretär:            Nu mach schon!

 

Musiker:            (singt)           Ich bin nur ein armer Wandersgesell  und meine Füße sind wund

                                          bin ich angekommen verschwind ich schon schnell ich leb von der Hand in den Mund

                                          ich singe mein Liedchen in jeder Stadt

                                          ich habe nichts zu verlieren

                                          und kommt ein Sergeant und jagt mich vom Platz

                                          dann muß ich halt weiterziehn

 

                                          Denn mein Lied das handelt von Liebe 

                                          und von ihrer Unmöglichkeit

                                          Meine Liebste ist eine Sklavin

                                          und ihr Herr, der gibt sie nicht frei

                                          so will ich mich bitter beklagen

                                          beim Kaiser, bei Gott und der Welt

                                          wie kann es denn sein daß er die Liebste mein

                                          einfach für sich behält

 

                                          so galt ich dem Herrn bald als Staatsfeind

                                          und hängen wollt er mich sehen

                                          so mußte ich fliehn und nun bin ich allein

                                          und möchte vor Sehnsucht vergehn

                                          so mußte ich fliehn und nun bin ich allein

                                          und möchte vor Sehnsucht vergehn

 

Kaiserin:            Ich vergehe vor Sehnsucht nach dir, mein Geliebter.

Sekretär:           Aber ich bin doch hier!

Kaiserin:            Und was ist gleich? Dann kommt mein Mann und ich muß wieder verschwinden und fromme Werke tun!

Sekretär:            Fromme Werke? Mit wem vögelst du denn noch?

Kaiserin:            Ach nun hab dich nicht so. Jesus sagt, man soll alle Menschen lieben!

Sekretär:            Alle?

Kaiserin:           Naja, die Nächsten und die Feinde, und das sind zusammengenommen schon so einige.

Sekretär:            Und mit den allen machst du Liebe?

Kaiserin:           Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie Jesus sich das vorgestellt hat, ich meine, man stößt da einfach auf logistische Grenzen. Man kann nicht mit allen ins Bett gehen, man trifft automatisch eine Auslese.

Sekretär:            Dann bin ich also nicht der einzige Mann neben deinem Mann.

Kaiserin:            Ach, wo denkst du hin? Ich nehme meinen Glauben sehr ernst.

Sekretär:            Und was sagt der Kaiser dazu?

Kaiserin:            Der weiß davon nichts. Er will ja auch nicht Christ werden. Ehrlich gesagt ist mir das auch ganz recht. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß er mit anderen Frauen schläft.

Sekretär:            Nach dem Bischof, der gerade hier war, zu urteilen, schien mir das Christentum doch                       eher eine geistigere Angelegenheit zu sein.

Kaiserin:            Das ist Auslegungssache.

Sekretär:            Er war entrüstet, wenn zu offen über Frauen und leibliche Genüsse geredet wurde.

Kaiserin:            So, war er das? Vielleicht übt er seine Nächstenliebe ja lieber an männlichen Objekten.

Sekretär:            Er sprach von der Wollust als Übel.

Kaiserin:            Ich sag doch, das ist Auslegungssache. Sicher ist die Wollust ein Übel, aber die Liebe ist der Weg zur Seligkeit. Oder willst du dich nicht mehr mit mir treffen?

Sekretär:           Nein, nein, ich meinte ja nur.

Musiker:            Kann man auch als Mann eurer Sekte beitreten?

Sekretär:            Schweig, Anmaßender! Wagst du es in der Gegenwart deiner Kaiserin das Wort zu erheben!

Kaiserin:            Laß ihn doch! Ich finde es reizend, wenn sich junge Männer für unsere Religion interessieren. (mustert den Musiker) Sekretär, wieviel Zeit haben wir noch?

Sekretär:            Überhaupt keine. Sie müßten gleich wieder hier sein.

Kaiserin:            Nanu, du willst mich wohl loswerden. Dabei ist doch immer Zeit, jemanden zu bekehren. (nähert sich verführerisch dem Musiker und gibt ihm einen Kuß)

Musiker:           Ich bin bekehrt.

Sekretär:            Jetzt aber raus hier, Frau Kaiserin, sonst ist hier gleich die Hölle los.

Kaiserin:            Nein, die Höllenqualen will ich nicht erleiden. (zum Musiker:) Adieu mein Geliebter! Ich werde dich nie vergessen.

Musiker:            Adieu, mein Engel!

 

 

              15. Szene            Kaiserin ab

 

Musiker:            Ob ich sie jemals wiedersehen werde?

Sekretär:           Du bist ihr Hofmusiker, du siehst sie fast täglich!

Musiker:            Ach ja, ich vergaß!

 

 

              16. Szene            Eintritt Bischof, Kaiser, General

 

Sekretär:            Ah, da sind sie ja wieder, treten sie ein, setzen sie sich, nehmen sie sich Wein, fühlen sie sich wohl. (für sich:) Diesmal war es echt knapp!

Kaiser:            Sekretär, schwätzen sie nicht, geben sie uns lieber eine Zusammenfassung der bisherigen Beschlüsse.

Sekretär:            Äh wie, ja, natürlich. Ähm, es ging um die Liebe, das Christentum, ja, also, einen Moment, ich habs gleich...

Kaiser:            Das will ich auch hoffen.

General:            Mein Schwert könnte ihn zur Eile anhalten.

Sekretär:            Der Kaiser in seiner göttlichen Weisheit geruht, oberster Christenpriester zu werden.

Kaiser:            Sekretär, was ist los mit ihnen? Davon war überhaupt nicht die Rede.

Sekretär:            Es ist aber doch eine gute Idee, oder?

Kaiser:            Nein, ganz und gar nicht. Ich will, daß meine Untertanen diesem Glauben beitreten, nicht ich. Ich mach mich doch nicht lächerlich und bekenne mich zu so einem angenageltem Emporkömmling.

Bischof:            Ach, so stehen sie zu unserem Herrn Jesus Christus.

General:           Schweig, deine Meinung tut hier nichts zur Sache.

Kaiser:            Also. Sekretär, wenn sie noch einmal von vorne anfangen würden.

Sekretär:            Alo gut. Erstens: Alle Christen werden zum Militärdienst herangezogen. Zweitens: Alle Römer werden zwangschristianisiert. Drittens: Die Erlasse des Kaisers  Konstantin sind als heilige Schrift der Christen zu kanonisieren.

Kaiser:            Falsch, falsch, Sekretär, was ist mir ihnen los?

General:            Die Idee ist doch gut, wenn alle Christen zur Armee müssen und alle Römer Christen werden, dann sind unsere Rekrutierungsprobleme endgültig gelöst.

Kaiser:           Sicher, das meine ich aber nicht. Sekretär, wenn sie aus meinen Worten eine heilige Schrift zusammenstellen, dann haben sie wieder das alte Problem eines Kaisers, der sich als Gott anbeten läßt und einer Bevölkerung, die nach wie vor auf der Suche nach den letztgültigen Antworten ist und vielleicht vordergründig, wenn die Strafen hoch sind, dem vorgegebenen Glauben folgt, aber gleichzeitig weiter diese Sektenbildung betreibt.

Sekretär:            Das heißt, sie wollen gar nicht oberster Christ werden?

Kaiser:            In der Tat.

Sekretär:            Das ist sehr ungewöhnlich. Darüber muß ich nachdenken.

General:            Sie wollen doch nicht etwa diese Christen staatliche Priester werden lassen und ihnen dann erlauben, zu glauben, was sie für richtig halten?

Kaiser:            Wenn erstmal festgelegt ist, was sie für richtig halten, nämlich das, was ich an ihrem Glauben für richtig halte, dann erübrigt sich eine weitere Kontrolle. Sie können nicht einmal gefaßte Beschlüsse wieder rückgängig machen ohne ihre Glaubwürdigkeit als Vertreter Gottes auf Erden aufzugegeben, nicht wahr, Herr Bischof?

Bischof:           Ich nehme an, die Frage ist rein rhetorisch. Mein Krug ist schon wieder leer.

General:            Meiner auch.

Kaiser:            Sekretär, haben sie in der Pause nicht nachgefüllt? Wo sind sie mit ihren Gedanken, man könnte ja meinen, sie seien verliebt! (zu Bischof, General:) Hier nehmen sie von meinem, ich will den Gedanken noch schnell zu Ende führen.

                            Also: Der Mensch ist ein komplexes Wesen. Ihm gereicht es zur Zufriedenheit nicht, satt zu sein, er will auch denken, will seinem Leben einen höheren Sinn zugeordnet sehen, er will glauben, kurz: er will sich vergnügen. Deswegen ersinnt er sich mit Hilfe seiner Phantasie Hirngespinste, Spiele, Theorien und so weiter. Die meisten Dinge, mit denen der Mensch sich beschäftigt, sind nichts weiter als die materialisierten Produkte seiner Phantasie. Nehmt die Bürokratie zum Beispiel. Da                  beschäftigen sich tausende von Menschen mit Verordnungen, Richtlinien und  Bestimmungen, die irgendein anderer sich mal erdacht hat und die jetzt als unverrückbares Faktum in der Welt stehen. Und die Religionen sind natürlich auch genau solche Faktoten, in der Welt nur deshalb, weil Menschen sie behaupten.

                            Nun kann man sich natürlich auf den Standpunkt stellen und sagen, das ist ja alles gar nicht wirklich wahr, das sind ja nur menschliche Behauptungen, aber auch das ist nur eine menschliche Behauptung ebenso wie jedes philosophische oder auch wissenschaftliche Konstrukt. In dieser Welt sind wir der Beliebigkeit unserer Gedanken ausgeliefert und diese Beliebigkeit ist es, die alle Bestrebungen nach Stabilität und dauerhaften Lösungen durchkreuzt.

                            Viele meiner Vorgänger fürchteten sich daher mit Recht vor den Unwägbarkeiten religiöser Bewegungen und versuchten, sie durch Kontrollen und Verbote im Griff zu behalten. Das ist insoweit nur begreiflich und logisch, wenn es auch dem Versuch gleicht, Wasser den Berg hochzutragen.

                            Ich hingegen versuche etwas anderes, ich kämpfe nicht gegen die Christen an, sondern benutze die ihrer Bewegung innewohnende Kraft, um meine Position zu stärken. Ich nehme nicht nur den Christen den Grund, gegen mich zu rebellieren, ich mache sie nicht nur zu meinen treuesten Verbündeten, indem ich ihnen Macht und Befugnis gebe, ich mache ihr Heilsversprechen jedem Römer zum Geschenk, ich gebe der Beliebigkeit der Philosophie einen fest abgegrenzten Raum, nämlich den Raum, den das Christentum ihr bietet, und solcherart entkoppel ich also das Staatsgeschäft von den Wirrnissen, die diese Religiösen sonst mit sich bringen. Das ist doch clever, Herr General, was sagen sie dazu?

General:           Äh, ich habe ihnen nicht ganz folgen können, Sir, bedaure. Wem darf ich mein Schwert durchs Herz bohren?

Kaiser:            Herr Bischof, was sagen sie denn dazu?

Bischof:            Majestät haben natürlich vollkommen recht, wie immer. Prost!

Kaiser:            Womit haben Majestät vollkommen recht?

Bischof:            Na, mit allem natürlich. Auf den Kaiser! Oh, leer!

Kaiser:            Sekretär, holen sie neuen Wein, Musiker, spielen sie uns ein Lied.

 

 

           17. Szene           Sekretär ab

 

Musiker:           (singt)           Ich fand Erbarmen in Gottes Armen, Halleluja

                                          Ich fand Erbarmen in Gottes Armen, Halleluja

                                           

                                          Ich war einst ein einsames Menschenkind

                                          so einsam wie Menschenkinder sind

                                          doch nun ist Gottes Liebe in mir entflammt

                                          denn ein Engel setzte mein Herz in Brand.

                                          Ich fand Erbarmen in Gottes Armen, Halleluja

                                          Ich fand Erbarmen in Gottes Armen, Halleluja

                                           

                                          Ich vergesse nie, wie sie vor mir stand

                                          Ich vergesse auch nie ihre zärtliche Hand

                                          Ist das die Liebe oder bloß Leidenschaft

                                          ganz egal, sie hat mich dahingerafft

                                          Ich fand Erbarmen in Gottes Armen, Halleluja

                                          Ich fand Erbarmen in Gottes Armen, Halleluja

 

Bischof:            Verzeihen sie, Herr Musiker, aber von welchem Gott war denn in ihrem Lied die Rede?

Musiker:            Von dem Gott der Liebe, dem einzigen und allmächtigem.

General:            Ach so, ging es nicht um die Venus?

Musiker:            Ich weiß nicht, die Theologie ist nicht meine Profession. Ich singe von Liebe.

Bischof:            Dann sollten sie Gottes Namen nicht mißbrauchen.

Musiker:            Verzeihen sie.

Bischof:            Bitte.

General:            (zum Bischof) Ist das denn ihr Gott, der Gott der Liebe?

Bischof:            Wie Jesus Christus uns gelehrt hat, ja.

General:            Herr Kaiser, warum sagen sie das denn nicht gleich? Den Gott der Liebe zum obersten Herrscher des Pantheons zu erklären ist nicht nur eine hervorragende, sondern sicher auch sehr populäre Idee.

Bischof:            Herr General, der Pantheon existiert nicht mehr, es gibt nur den einen Gott.

General:            Aber wenn das der Gott der Liebe ist, woran sollen denn die Soldaten noch glauben?

Bischof:            Na, eben an denselben Gott.

General:            Die Schwerter liebevoll in die Leiber der Ungläubigen versenken? Vielleicht bin ich ja betrunken, aber das verstehe ich jedenfalls nicht.

Kaiser:            Warum kommt denn der Sekretär nicht wieder? Ich geh mal gucken.

 

 

              18. Szene            Kaiser ab

 

General:            Sekretär weg, Kaiser weg, die Konferenz ist wohl beendet. Kommen sie, Herr Bischof, diesen Sieg von ihnen müssen wir begießen!

Bischof:            Welchen Sieg?

General:           Verstehen sie doch, der Kaiser will selbst kein Gott mehr sein und setzt dafür sie ein. Gestern noch Führer einer obskurantistischen Sekte, heute oberster Gott des Staates, das ist doch mehr als eine Beförderung.

Bischof:            Aber ich bin doch kein Gott.

General:            Ach was, lassen sie die Leute doch an etwas glauben. Sollen sie etwa nur den Mammon anbeten?

Bischof:            Nein, aber deswegen bin ich noch lange kein Gott.

General:            Nun mal nicht so bescheiden, mein lieber Herr Bischof. Klappern gehört nunmal zum Handwerk. Wissen sie, ich habe eine Idee. Wenn sie kein Gott sein wollen, dann seien sie ein Papst! Der Statthalter Gottes. Es gibt ja eh nur noch einen Gott, da kann man mit den Ämtern ja auch ein wenig geizen. Na, Papst, wär das nichts?

Bischof:            Ich weiß nicht. Jesus Christus hat gesagt:

General:            Ach kommen sie, vergessen sie einmal ihren Jesus Christus. Denken sie an die Macht! Die Festbankette! Die Frauen die ihnen zu Füßen liegen! Klingt das nicht gut?

Bischof:            Ja, meinen Sie?

General:           Natürlich! Mensch, wie ich sie beneide. Kommen sie, das müssen wir begießen. Wir gehen ins „Jupiter“.

Bischof:            Aber ich habe keine Sesterzen bei mir.

General:            Sie sind mein Gast. In ihrer neuen Stellung werden sie sicher reichlich Gelegenheit finden, sich zu revanchieren.

Bischof:            Und betrunken bin ich auch schon.

General:            Das macht nichts, einer paßt immer noch rein. Nun los, auf auf, die Frauen warten schon.

 

 

              19. Szene           Bischof, General ab

 

Musiker:            (zu den Zuschauern) Was meinen Sie, ob ich sie jemals wiedersehen werde?

 

 

              20. Szene           Kaiserin auf

 

Kaiserin:           Schnell, verstecken sie mich

 

 

           21. Szene           Sekretär auf

 

Sekretär:           Wo ist sie hin? (Musiker deutet auf den Ausgang)

 

 

           22. Szene           Sekretär ab, Kaiser auf

 

Kaiser:            Wo sind sie, ich habe sie doch gesehen! (Musiker deutet auf den Ausgang)

 

 

              23. Szene            Kaiser ab

 

Kaiserin:           Bravo mein Held, das war in Rettung in letzter Sekunde.

Musiker:            Oh meine Göttin! Bekehre mich!

Kaiserin:            Wenns weiter nichts ist! Komm, durchbohr mich mit deinem Schwert, du Ungläubiger!

 

                            Musiker schließt den Vorhang

                      Ende.

 

 

 

 

 

 

 

 

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